"SIMON BOCCANEGRA" - 1. November 2009

Um Publikumslieblinge der Bayerischen Staatsoper von einst einmal wieder zu hören, reiste man an einem sonnigen ersten Novembertag nach Zürich. Dort wurde nämlich in einer Nachmittagsvorstellung das ebenso selten gespielte, wie vollendet durchkomponierte Werk von Giuseppe Verdi "Simon Boccanegra" in einer traditionellen Inszenierung von Giancarlo DEL MONACO gespielt. Regisseur und Bühnenbildner Carlo CENTOLAVIGNA entführten uns ins Genueser Mittelalter, wo Streitigkeiten zwischen Guelfen (Papstgetreuen) und Ghibelinen (Kaisertreuen) Gang und Gäbe waren, und die historisch erwiesene Figur des Dogen Simon Boccanegra, dessen Name heute noch in Genua lebendig ist, durch Giuseppe Verdis Librettisten Francesco Maria Piave wieder zum Leben erweckt wurde.

Die historisch getreuen prachtvollen Kostüme von Maria FILIPPI vermittelten dem Publikum Einblick in das mittelalterliche Treiben des alten Genua. Das Gold der reichen Handelsstadt dominierte in vielen Kostümkombinationen und auch im Bühnenbild, das vor allem im letzten Akt eine eminente Steigerung aufwies. Den Dogenpalast, wo letztendlich Simon durch die Vergiftung des Tranks des Paolo den Tod fand, plazierte man mit einer großen Öffnung mit Meeresblick in Hafennähe, wo durch technische Feinheiten (Computeranimation) sogar Wellenbewegungen erzeugt wurden.

Ein Raunen ging hier durchs Publikum, das, von diesem Bühnenbild fasziniert, in die letzten Klänge von Verdis Musik eingebettet, dem Ende des Bühnengeschehens lauschen konnte. So stellt man sich Oper vor, eine Erholung für Auge und Seele, die übersättigt von modernen Inszenierungen langsam, aber sicher erkrankt. Diese Inszenierung hatte erst in diesem Jahr Premiere, nämlich am 11. Januar 2009, also - so geht es auch.

Carlo RIZZI dirigierte das ORCHESTER DER OPER ZÜRICH mit einfühlsamer Stabführung für Verdis Musik und konnte dadurch von Anfang an musikalisches italienisches Flair erzeugen.

In der Besetzungswahl traf die Züricher Oper nicht ganz ins Schwarze. Sie besetzte die Titelfigur mit dem Züricher Publikumsliebling und in München seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr gehörten Leo NUCCI, dessen fülliger Bariton mit einer präzisen Technik ausgestattet ist, leider aber derzeit zum Forcieren neigt und der gerade in der Färbung seiner Stimme in dieser Partie nicht ganz überzeugen konnte. Der letzte Ton "Maria", der Piani-Bravourton jedes Simon Interpreten, der das kommende Wiedersehen mit der Geliebten im Himmel bei seinem Vergiftungstod aufzeigt, klang gequält.

Isabel REY als Amelia mit metallischem klingenden Sopran sang diese Partie ausreichend, konnte aber in der Darstellung dieser mädchenhaften Figur ebenfalls nicht überzeugen, ihre Töne kamen für diese Partie viel zu hart und an manchen Stellen viel zu unausgeglichen. Ein absoluter Garant für schön gesungene Baßpartien ist László POLGAR, der als Jacopo Fiesco mit seinem ihm eigenen Interpretationsvermögen wieder einmal bewies, daß ihm wohl jede anvertraute Rolle bestens gelingt. Man hofft hier auf ein baldiges Wiederhören in München.

Fabio SARTORI als Gabriele Adorno besitzt einen lyrisch gefärbten heldischen Tenor, der sich bis zum Schluß noch steigerte, wobei einiges Zurücknehmen anzuraten wäre. Der Intrigant Paolo Albiani wurde von Massimo CAVALETTI perfekt auf die Bühne gebracht, so daß man sich fast wünschte, Amelia Grimaldi würde ihn zum Gatten erwählt haben. Eine Entdeckung in Zürich. Die übrigen Protagonisten wie Giuseppe SCORSIN als Pietro, der Capitano von Michael Laurenz MÜLLER und Julie BARTHOLOMEW als Dienerin der Amelia fügten sich gut ein.

Der CHOR DER OPER ZÜRICH nebst ZUSATZCHOR unter der Einstudierung von Kelly THOMAS und Thomas GRAVOWSKI, unterstützt vom STATISTENVEREIN rundeten den Nachmittag durch eine gute Leistung ab. An diese beglückende Inszenierung einer Verdi-Oper wird sich die Rezensentin noch lange erinnern. ISt