"RUSALKA" - 6. Juni 2010

Das debile Gehüpfe der Elfen im Schilf gleich zu Beginn läßt Schlimmes erahnen. Aber weit gefehlt. Schon Rusalkas erster Auftritt, in dem sie mit fließenden Bewegungen ihr Leid besingt, zeigt die ganze Dramatik, zeigt das Elend, das sie angesichts ihrer Lage empfindet. Sie will weg von hier, will Mensch werden, koste es, was es wolle.

Das Seeufer ist ein Idyll, aber am Rande der Zivilisation (Bühne Karl-Ernst HERRMANN), ein Hochspannungsmast steht im Hintergrund, in der Ferne ist die Sillouette von New York zu sehen. Dahin will Rusalka, in die kalte sterile Welt der Menschen.

Als der Prinz auftaucht, mit greller Jacke und blonder Fönwelle, kann man Rusalkas Faszination nicht ganz verstehen, aber Piotr BECZALA gelingt der Spagat zwischen unsympatischem Lebemann und dem Durchscheinen echter Gefühle wieder einmal eindrucksvoll, nicht zuletzt durch seine großartige Gesangskultur. Also muß die Jezibaba helfen, die hier als rotes spinnenartiges Wesen über die Bühne schleicht, mit Buckel und dünnen Armen (Kostüme Victoria BEHR). Sie schneidet Rusalka aus ihrem Fischschwanz und überreicht ihr ein Kleidchen in unschuldigem Weiß mit folklorischtischen Stickereien. Welch ein Gegensatz zu der futuritischen Robe der fremden Fürstin, metallisch glänzend, starr, der Metallglanz selbst in den Haaren. Und auf welchem Niveau sich diese Gesellschaft bewegt, wird dann nochmals auf dem Fest deutlich. Geile ältere Damen lassen sich nur zu gern die Anmache des durchtrainierten farbigen Tänzers (Ádamo DIAS) gefallen, der seinen Körper präsentiert. Das ist nicht Rusalkas Welt, aber zurück kann sie eben auch nicht.

Zumal als wir sehen, wie das Seeufer mittlerweile ausschaut. Überall ist Zivilisationsmüll verstreut, die Waldelfen spielen zwar damit, aber von Idylle keine Spur mehr. Dies ist der Hintergrund für das starke Schlußbild, das diesmal dem Wassermann und nicht Rusalka und dem Prinzen gehört. Jener taucht noch einmal aus dem See auf, um die Menschen zu verfluchen, ein alter Mann, der längst keine Macht mehr hat, nur noch lächerlich ist, zumal er bereits von einem dicken Film Rohöl überzogen ist. Aktueller geht's kaum, die Menschheit hat es wieder einmal geschafft, alles zu zerstören.

Hier hat die Realität dem Regisseur Matthias HARTMANN eine Steilvorlage gegeben, die er zu nutzen weiß. Vladimir FEDOSEYEV am Pult des ORCHESTERS DER OPER ZÜRICH findet dafür den richtigen Ton, temporeich aber nicht kalt, wobei die Abstimmung zwischen Bühne und Graben noch nicht immer perfekt war.

Krassimira STOYANOVA in der Titelpartie spielt zurückhaltend, aber dadurch nicht weniger glaubwürdig, ihr Lied an den Mond auf leerer Bühne mit aufsteigender Mondscheibe gelingt eindringlich. Alfred MUFF gibt einen kleinen alten Mann in blauem Gehrock und Zylinder mit überdimensionalen Schwimmhänden, die ihm schon von Beginn an nicht wirklich mächtig erscheinen lassen, aber schließlich nehmen ihn ja selbst die Elfen (Sandra TATTNIGG, Anja SCHLOSSER und Katharina PEETZ) nicht so ganz ernst.

Michelle BREEDT liegt die Partie der fremden Fürstin nicht so, ich hätte sie lieber als Jezibaba erlebt, wo sie stimmlich und darstellerisch viel mehr zur Geltung gekommen wäre, was nicht heißen soll, daß Liliana NIKITIANU die Rolle nicht ausgefüllt hätte. Ganz im Sinne der Inszenierung war der Küchenjunge eine Businessfrau im Kostüm, als die aber Eva LIEBAU mit viel Komik überzeugte.

So viel Aktualität in einem Märchen und dazu Dvoráks wunderbare Musik, da muss man sich um die Zukunft der Oper nicht sorgen. KS