Giuseppe Verdi: „SIMON BOCCANEGRA“ (TDK)

Es handelt sich hierbei um eine Aufzeichnung vom Maggio Musicale Fiorentino aus dem Juni 2002 im Teatro Communale von Florenz. In den kargen Bühnenbildern von Stefan MAYER hat Peter STEIN ästhetisch ansprechende Tableaus arrangiert, die weder stören, noch aufregend. Sie fallen allerdings auch nicht besonders auf. Von der Personenregie her tut jeder, was er kann; speziell der Titelrollensänger hätte hier sicherlich mehr Anleitung gebrauchen können.

Hingegen sind die Kostüme von Moidele BICKEL teilweise gar lächerlich. Amelia läuft bei ihrem ersten Auftritt dauerhaft Gefahr, sich vollends in ihr hauchdünnes, viel zu großes Tuch zu verheddern, was unfreiwillig komisch wirkt. Simons Dogenornat in der Ratsszene erinnert schmerzhaft an ein Nachthemd mit Schlafmütze. Adornos zu hoher enger Kragen läßt einen befürchten, der Sänger könnte jeden Moment ersticken. Und daß Paolo der Böse ist, erkennt man schon daran, daß er ganz in Guantanamo-Orange gekleidet ist.

In der Titelrolle ist Carlo GUELFI zu sehen und zu hören. Der Sänger nennt einen angenehmen, technisch meist sicheren Bariton sein eigen, aber die große Begeisterung kann sich für ihn bei mir nicht einstellen. Er vermag nicht zu fesseln, bleibt irgendwie persönlichkeitsarm. Möglicherweise trägt dazu bei, daß er lediglich über anderthalb Gesichtsausdrücke und zwei Handbewegungen verfügt. Was Präsenz ist, kann man hingegen bei Julian KONSTANTINOV als Fiesco feststellen. Der noch junge Sänger macht nicht viel, aber das ist richtig, denn er verfügt über die notwendige Ausstrahlung. Hinzu kommt ein prachtvoller schwarzer Baß, vielleicht noch nicht mit allen gesanglichen Finessen ausgestattet, aber das wird mit Sicherheit kommen.

Bei Karita MATTILA als Amelia gibt es in ihrer Arie und im nachfolgenden Duett einige kurze Schrecksekunden, denn die Stimme scheint nicht richtig anzusprechen. In der Folge jedoch spinnt die Sängerin schöne Lyrismen. Irritierend wirkt jedoch, daß sie irgendwie somnambul durch die Handlung zu schweben, nicht wirklich da zu sein scheint. Ihr Adorno ist mit Vincenzo LA SCOLA besetzt, der brav und ohne größere Anstrengung die Partie durchmißt. Dafür, daß ich mich mit seinem Timbre nicht wirklich anfreunden kann, ist er nicht verantwortlich.

Wahre Abgründe an Bösartigkeit gepaart mit kluger Phrasierung und intensivem Spiel zeigt Lucio GALLO als Paolo, der trotz des schurkischen Verhaltens Bedauern aufkommen läßt, als man ihn zur Hinrichtung führt. Auf sehr hohem Niveau singt auch Andrea CONCETTI als Pietro, Enrico COSSUTA (Capitano) und Katia PELLEGRINO (Ancella) ergänzen zuverlässig.

Claudio ABBADO hat diese Oper an jeder seiner großen Wirkungsstätten in den letzten dreißig Jahren aufgeführt. Es ist immer faszinierend zu hören, was er wiederum an neuen Nuancen herausarbeitet, selbst wenn man dachte, weitere könne es gar nicht mehr geben. Das wird niemals akademisch, denn Abbado atmet geradezu mit der Musik und hält so die Spannung. Das ORCHESTER DES MAGGIO MUSICALE FIORENTINO folgt ihm bedingungslos, der CHOR (Leitung José Luis BASSO) wirkt an einigen Stellen nicht optimal plaziert. MK