Erich Wolfgang Korngold: „Die tote Stadt“ (DVD - Arthaus)

Dieses Werk war in der Zwischenkriegszeit an allen großen Bühnen Europas zu hören und Mariettas Lied war eine Melodie, der man Schlagercharakter zuschrieb. Wer es einmal gehört hatte, konnte diese Melodie nicht vergessen und sang sie schön oder weniger schön nach.

Marcel Prawy war jener Mann, der mich mit seiner Begeisterung ansteckte und mich vor langer Zeit zum Kauf der mehr oder weniger einzigen guten CD-Einspielung der RCA Victor (GD 87767) animierte. Es war dies für mich ein sehr ansprechende Aufnahme: René Kollo als Paul, Carol Neblett als Marietta, Hermann Prey als Fritz und Benjamin Luxon als Frank. Dirigent war Erich Leinsdorf.

Meine positive Einstellung hält auch heute noch an, und wurde durch die DVD Einspielung neu aufgefrischt. Mit der Liveeinspielung der sehr guten Aufführung der Opéra National du Rhin ist dem Label sicher ein guter Griff gelungen, zumal es jetzt wirklich interessanter ist , selten gespielte Opern auf Video oder DVD zu bringen, als den 20. „Troubadour“, auch wenn er noch so luxuriös besetzt wäre.

Der Opéra National du Rhin ist auch gesamt gesehen eine sehr gute Aufführung gelungen. Die Inszenierung von Inga LEVANT geht filmische Wege, was bei diesem Werk, das sehr viel mit Phantasie und Träumereien arbeitet, sehr gut paßt. Ich bin mir allerdings sicher, daß auf der Bühne verschiedene optische Effekte besser wirkten als in der Filmversion. Es sind die meisten Szenen sehr dunkel gehalten, und bevor man sich noch mit dem Bild vertraut machen kann, kommt von der Aufnahme her der nächste Schwenk. Damit muß man sich abfinden, und wenn man nach die DVD dann vielleicht zum zweiten oder dritten Mal gesehen hat, ist vielleicht die gleiche Ausgangsposition wie bei einer Bühnenaufführung.

Mit Angela DENOKE ist für die Rolle der Marietta eine Idealbesetzung gefunden worden. Stimmlich ansprechend, gesanglich perfekt und darstellerisch höchst eindrucksvoll. Paul, der Mann, der in der Vergangenheit lebt und liebt, wird von Torsten KERL sehr intensiv, mit großer Liebe zum Detail interpretiert. Seine gesangliche Leistung finde ich nicht so beglückend, er neigt leider zum Vibrato und forciert zu stark den Ausdruck. Schöngesang bleibt dabei auf der Strecke.

Pauls Freund Frank ist Yuri BATUKOV. Der Bariton hat eine angenehme Stimme, der gesangliche Ausdruck bleibt blaß. Fritz/Pierrot im Karneval, der vom Komponisten auch mit einer traumschönen Arie bedacht wurde, wird von Stephan GENZ wortdeutlich und intensiv gesungen, bei ihm vermisse ich aber ein kräftigeres Stimmaterial.

Das Dirigat liegt bei Jan Latham KÖNIG, der das ORCHESTRE PHILHARMONIQUE DE STRASBOURG sehr wuchtig leitet. Latham-König neigt für mich immer zu sehr starkem Orchestereinsatz, der zu Lasten der Sänger geht. Bei diesem Werk, daß ja über weite Strecken mit Ausdrucksgesang punktet, kann ich mich daher mit der Orchesterdominanz abfinden, bei anderen Dirigaten habe ich das störend empfunden.

Es gäbe immer etwas, was man besser machen könnte, auch Meinungen gehen ja sehr oft auseinander, aber für eine Kaufempfehlung ist diese Arthaus-DVD allemal gut. EH