THE WIZARD OF MUNICH

Darf man es schreiben, wenn eine Aufführung so gut gefallen hat, daß einem noch Tage später die Musik im Kopf herumgeht, und man leise (oder lauter) Passagen vor sich hinsummt? Man darf. Nein, man muß sogar.

Falls es irgend jemand noch nicht mitbekommen haben sollte, sei es an dieser Stelle nochmals erwähnt: beinahe still und leise haben sich da ein Tenor und ein Fach gefunden, die perfekt zueinander passen. Robert Dean SMITH hat sowohl die Spitzentöne als auch die sehr italienische Phrasierung für diese Partie. Da mühte sich endlich einmal kein lyrischer Tenor mit der gefährlichen Rolle, sondern es stand ein Sänger auf der Bühne, der, da technisch ohne jedes Problem, sich voll und ganz auf die Gestaltung der Figur konzentrieren konnte.

Er macht das Publikum mit seiner Interpretation schier atemlos, während er selbst ohne Mühe die Stufen der bühnenbeherrschenden Treppe hinauf und hinab eilt und dabei das komplexe Bild eines Bonvivants, der plötzlich die Liebe seines Lebens findet, zeichnet. Sein Des Grieux besitzt Eleganz, jungenhaften Charme und ein extrem hohes Leidenspotential.

Die Sängerin der Titelpartie, Norma FANTINI, fiel gegen diese Leistung deutlich ab. Konnte man dem Sopran bisher meist attestieren, korrekt und mit gutdurchgebildeter Stimme zu singen, erschreckten hier diverse unschön angeschliffene Töne. Zu den stimmlichen Mängeln kam, daß sich Manon in keiner Weise entwickelte. Die Figur wirkte in jeder Phase, ob junges Mädchen, ob sterbend, gleich.

Zeljko LUCIC fand erst spät an diesem Abend zu seiner Form. Irgendwie wirkte er zu Beginn merkwürdig gebremst und gehemmt, erst im zweiten und dritten Akt kam er aus sich heraus und nutzte dann auch die wenigen Möglichkeiten zur stimmlichen Profilierung.

Ein Highlight bei den kleineren Rollen war, wenn auch mit schwierigem Start, Francesco PETROZZI als sehr lebendiger Edmondo. Clive BAYLEY als Geronte fiel negativ durch sein Outrieren auf, während die kleineren Rollen (Helena JUNGWIRTH, Rüdiger TREBES, Kenneth ROBERSON und Kevin CONNERS) unauffällig blieben, was wohl auch eine Folge der Nicht-Regie sein dürfte.

Fabio LUISI ließ vom Pult des BAYERISCHEN STAATSORCHESTERS aus, einen Puccini spielen, der keine Sekunde überlaut war oder gar die Sänger zudeckte. Man bekam eine so saubere wie emotionale orchestrale Interpretation zu hören, wie sie für München überraschte.

Insofern ist die Überschrift nicht ganz richtig. Es gab zwei Zauberer, die diesen Opernabend ganz besonders machten, und die man sich in dieser Konstellation fürs italienische Fach immer wieder wünscht.
MK & AHS

P.S. Alles was zur szenischen Interpretation zu sagen ist, wurde bereits gesagt, kann aber gern nochmals nachgelesen werden. Es ist allerdings zu bemerken, daß der einzige Farbfleck, Lescauts blaßblau gestreifte Unterhose, einer weißen weichen mußte.