Foto: Don Giovanni - privat

ZWISCHENTÖNE - GERARD QUINN IM GESPRÄCH

Eigentlich hätte man dieses Gespräch per Video aufzeichnen und in dieser Form hier veröffentlichen müssen, denn Gerard QUINN ist ein Meister der nonverbalen Kommunikation. Mimik und Gestik sagen viel, bevor der eigentliche Satz zu Ende gesprochen ist, und wenn er lacht, findet sich dieses Lachen auch in den Augen.

Der schottische Bariton, derzeit mitten in den Proben zum "Lohengrin", der ersten neuen Lübecker Produktion, fand kurz vor Spielzeitbeginn die Zeit für eine Unterhaltung.

Der erste Eindruck? Mir sitzt jemand gegenüber, der in sich selbst ruht, ohne phlegmatisch zu sein, der lebhaft ist, ohne etwas wuseliges zu haben, der Spaß an seiner Arbeit hat, und dem der Beruf Berufung ist. "Ich liebe es", bekennt der Sänger dann auch nach nicht einmal zwei Minuten unseres Gesprächs. "Es ist ein Traumberuf."

Aber auch sein privates Umfeld ist ihm sehr wichtig ("…so, wenn ich Zeit habe, gehe ich normalerweise nach Hause und spiele mit den Kindern…"), und er strahlt vor Stolz, als er berichtet, daß seine Kinder alle sehr musikalisch sind und z.T. auch bereits mit ihm auf der Bühne standen.

Wie ist er eigentlich zum Gesang gekommen, will ich wissen. "Das ist eine ziemlich lange Geschichte", entgegnet Gerard Quinn. "Zuerst, in der Schule, habe ich Blockflöte gelernt, dann Klavier und später am Konservatorium Querflöte studiert." Er habe gedacht, daß er später einmal Karriere in einem Orchester machen würde. Gleichwohl hatte er auch Gesangsunterricht. "Irgendwann hatte ich ein Vorsingen/Vorspiel in Manchester am College of Music, und sie haben mich als Sänger genommen." Die Querflöte dort sei unglaublich gut gewesen. "Ich hatte eine bessere Chance als Sänger."

Er studierte am Royal College of Music, Manchester, und später für ein Jahr im National Opera Studio, London. Privat erhielt er Unterricht bei Otto Edelmann in Wien und Iris Dell'Acqua in London.

Es folgten Engagements mit Partien wie Enrico, Ford, Germont, Rigoletto, Zurga oder Onegin an der Welsh National Opera, der English Touring Opera, der Scottish Opera ("Ich bin Schotte, also ist es wichtig für mich, daß ich in Schottland gearbeitet habe.") und der English National Opera sowie am Royal Opera House Covent Garden, wo der Bariton neben den mittleren Partien auch als Cover für die großen Verdi-Rollen eingesetzt war.

1998 führte der Weg Gerard Quinns nach Deutschland. Er erhielt ein Angebot der Städtischen Bühnen Osnabrück - interessant nicht nur aus beruflichen Gründen, sondern auch privaten. "Wir haben gedacht, es wäre wichtig, wenn die Kinder mit einer zweiten Sprache aufwachsen können und auch ein anderes Land kennenlernen."

Die Liste der Partien in Osnabrück liest sich beeindruckend. Germont, Sharpless, Fluth, Jewgeni Onegin, Don Giovanni, Prus in "Die Sache Makropulos", Carlo in Verdis "Ernani", Marcello… all dies in nur drei Jahren.

Im Jahr 2000 sang er in Lübeck vor und wurde als Montfort in "I Vespri Siciliani" engagiert. "Das war gut für mich, denn ich habe das Angebot bekommen, fest hierherzukommen." Seit der Spielzeit 2001/02 ist er Ensemblemitglied am Theater Lübeck.

Gerard Quinn singt sehr unterschiedliche Charaktere. Welche davon sind ihm eigentlich lieber - die düsteren/tragischen oder die komischen? Erstes Stichwort: die Lübecker "Barbiere"-Produktion (2003). "Ich habe viel Spaß dabei gehabt. Es ist ein fantastische Rolle für einen Bariton, Figaro zu machen. Man kann soviel auf der Bühne spielen, nicht nur singen." In dieser Partie müsse man versuchen, sehr souverän zu sein, denn Figaro müsse alle in der Hand haben, mit ihnen spielen.

Aber auch eine Rolle wie Scarpia sei sehr spannend. "Er ist so böse, muß aber nicht die ganze Zeit böse sein. Im zweiten Akt mit Tosca treibt er sein Spiel mit ihr." Es brauche nur eines Blicks Scarpias, und die Leute würden alles tun. "Er hat totale Macht bekommen - und eine so gute Zeit." Als weiteres Beispiel nennt er Montfort. "Er ist eigentlich am Anfang ein Bösewicht." Als Montfort bemerke, daß u.a. um seinen Sohn gehe, sehe man die andere Seite der Figur. "Und die Musik ist natürlich wunderbar."

"Kowaljoff in ‚Die Nase' war sehr viel Spaß." - seine erste Zusammenarbeit mit dem Regisseur Jakob Peters-Messer - "Das war eine verrückte Geschichte, und wir hatten viel Spaß damit. Es war auch ein hartes Stück - man muß die Gefühle von der tiefsten Schwermut bis hin zum Freudentaumel, wenn er seine Nase zurückbekommt, durchmachen - aber es war toll."

Am Nick Shadow in "Rake's Progress" gefiel Gerard Quinn insbesondere die Möglichkeit in seiner Muttersprache Englisch zu arbeiten. Er versuche immer, soviel wie möglich über den Text zu machen, sagt er. Dabei sei es egal, um welche Sprache es sich handele, aber: "in der eigenen Sprache gibt es andere, kleine Farben, die man bringen kann".

Teil 2