Foto: A. Tsymbalyuk

ALEXANDER TSYMBALYUK - EIN PORTRÄT 2

Wenn Tsymbalyuk eine neue Partie lernt, sieht er sich zunächst die Noten an, hört sich an, wie andere Sänger es singen und informiert sich über das Umfeld der Rolle. Man müsse eine gewisse Basis haben, auf der man aufbauen könne, beispielsweise historisches Wissen. Zur Zeit beschäftige er sich damit, sein Spiel zu intensivieren. Er habe Stanislawski und Michail Tschechow gelesen, welcher ihn sehr inspiriere. "Zunächst ist die Frage, auf welche Seite gehört die Figur, auf die weiße oder die schwarze Seite. Welche Ziele, welche Gedanken hat die Person? Ich versuche jetzt mehr, auch durch das Spiel den Kontakt zum Publikum herzustellen. Früher ging das hauptsächlich über den Gesang, jetzt versuche ich beides mehr zu verbinden. Sonst kann man einfach das Radio einschalten. In der Vergangenheit habe ich oft schauspielerisch übertrieben. Ich wollte seriös sein, kam aber eher komisch herüber." Er habe nun gelernt, daß man mit weniger Mitteln mehr erreichen könne. Störend sei allerdings, wenn Regisseure verlangen, daß man, auch wenn man nichts zu tun habe, permanent auf der Bühne bleiben müsse, damit die Bühne gefüllt sei.

Auf das Thema Lampenfieber angesprochen, demonstriert er zunächst mimisch und gestisch Panik und die Sucht, im Scheinwerferlicht zu stehen, und schüttelt dann den Kopf. "Ich leide nicht unter dem ersten und nicht unter dem zweiten. Manchmal, wenn die Scheinwerfer zu stark leuchten, kann ich das Publikum nicht sehen. Das ist störend, denn nur für mich selbst zu singen, da fühle ich mich wie ausgeschaltet." Wichtig sei es auf jeden Fall, kein "Buh" zu bekommen, dies habe schon manche Sänger auch menschlich ruiniert, weil es so schwierig sei, das wegzustecken. Er meint, daß die Zeit auf der Bühne schneller laufe als dies wirklich der Fall sei, weil man aufgeregt sei; auch hiermit müsse man lernen umzugehen, indem man sich bremse.

Es gäbe Rollen, die Alexander Tsymbalyuk gerne singen würde, "aber die gehören leider zum Tenor." Er liebt dramatische Partien, Sparafucile gefällt ihm. Er sei, wie er selbst, ein Ausländer, dazu ein guter Bruder für Maddalena, trotz seines düsteren Geschäfts sei er ein Geschäftsmann, er wolle nicht nur einfach ein Bandit sein. Er sei nicht nur einfach ein angsteinflößender Mann. Mit Boris und Philipp will sich der Sänger noch etwa zehn Jahre Zeit lassen. "Dafür muß man mehr erlebt haben. Man muß mindestens dreimal verliebt gewesen sein, Verluste erlitten haben. Da muß man dann auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können, dann geht das automatisch."

Unnötigerweise entschuldigt sich Tsymbalyuk für sein Deutsch, was im übrigen sehr gut ist, da er seine Freizeit hauptsächlich mit russischsprachigen oder aus anderen slawischen Ländern stammenden Freunde verbrächte. Er wolle sein Deutsch jedoch weiter verbessern, da er auch im deutschen Repertoire mehr singen möchte.

"Die beste Schule ist auf der Bühne mit großen Sängern zusammenzusein. Da braucht man keinen Meisterkurs mehr mit einem Professor. Wenn man sieht, wie große Sänger funktionieren, wie die bestimmte Sachen machen, das bringt unendlich viel. Erklärt zu bekommen, wie man etwas singt, ist nicht das Gleiche, als wenn man es erleben kann, gerade bei den Details." Er bewundert Nicolai Ghiaurov, und von der Begegnung mit Placido Domingo im vergangenen Februar schwärmt er geradezu, zumal Domingo ihn zum Vorsingen nach Valencia einlud. Zehn Minuten vor dem Auftritt habe Domingo in Hamburg gefragt: "Sascha, hast du Noten?" Tsymbalyuk verneinte. Dann müsse er zum Vorsingen nach Valencia kommen. "Ich war total schockiert. Zehn Minuten vor dem Auftritt, normalerweise ist ein Tenor da überhaupt nicht ansprechbar. Der Mann ist eine große Ausnahme, ein unglaublicher Künstler."

Tsymbalyuk findet, daß man sich als Sänger sein Leben nicht zu normal, zu bequem einrichten solle. "Man muß sich ein bißchen zurückziehen von der Gemütlichkeit, denn sonst fehlt auf der Bühne das Adrenalin, die Spannung." Trotzdem genießt er sein Leben. Er malt seit seiner Jugend, was er sieben Jahre lang neben der Musikhochschule gelernt hat. Sogar zu einer kleinen Ausstellung habe er es schon gebracht.

Wir drücken fest die Daumen, daß wir auch in der Zukunft hochinteressante Rollenporträts von Alexander Tsymbalyuk erleben können, hoffentlich bald auch in größeren Rollen. MK