Zählen Sie sich zu dem Typ von Operngängern, der sich wundert, wie manche Menschen ob der schwülstigen Redeschwalle von Wagners (Mehr-oder-Weniger-) Helden in Verzückung geraten, während Sie gerade von Ihrem eigenen Schnarchen aufgewacht sind? Verstehen Sie es nicht, wenn Sie aus einer wundervollen Aufführung kommen, und neben Ihnen verreißen einige diese total? Wollten Sie schon immer mal die Leute ärgern, die Sie ständig mit meuchelmörderischen Grimassen und verkrampften Händen aus einem angeregten Gespräch reißen, weil die in der Oper ungestört sein wollen? Dann kann ich Ihnen Abhilfe schaffen. In diesem Mini-Ratgeber gebe ich Ihnen Tipps, wie Sie garantiert jeden Opernliebhaber aus der Fassung bringen können.

Zuerst einmal sollten Sie einige Tage zuvor leichtbekleidet an einen kalten Ort gehen, so daß Sie eine ordentliche Erkältung haben. Da Sie dann ja bedauerlicherweise so krank sind, müssen Sie sich ja auch mal ausschnupfen, was ebenso lautstark ist wie das vorangegangene Niesen. Auch die Bronchien müssen regelmäßig freigemacht werden, was Sie durch ordentliches, d. h. lautstarkes, Husten erreichen, was man mit gut verpackten Hustenbonbons auch bekämpfen kann. Fasten Sie unbedingt vor der Vorstellung. Gegen das (nicht nur Sie) nervende Knurren im Magen, kann man nur eines machen: Essen. Nehmen Sie sich doch ein paar mit Knoblauch-Frischkäse belegte Stullen mit. Seien Sie höflich und bieten Sie Ihrem Sitznachbarn, dem vermeintlichen Kenner, auch einen Bissen an und fragen Sie dann, warum nicht. Nun müsste er Sie schon etwas hassen, zumal wenn er keinen Knoblauch mag, was diskutiert werden muss...

Außerdem müssen Ihre potentiellen Feinde und die Türsteher es auch einsehen, daß die Verkehrssituation wirklich schlimm ist, was zur Folge hatte, daß Sie erst kurz nach Beginn der Ouvertüre kommen konnten. Bestehen Sie auf Ihrem Platz in der Mitte, es ist Ihr gutes Recht, ebenso, dass die anderen aufstehen, das gehört sich eben, genauso wie das Bedanken ihrerseits, das auf Grund der lauten Musik auch etwas mehr im forte ausfallen sollte. Da Sie nun so erschöpft sind, legen Sie ruhig Ihre Füße hoch und nehmen Sie beide Lehnen.

Da Ihr Platz nicht sehr toll ist, und Sie nur den Paukisten und einige Hälse der ("Entschuldigen Sie bitte, wie heißen die großen Streichinstrumente? ... Ach ja, richtig!") Tschelli und Bässe sehen, erheben Sie sich.

Bei bekannten Opern bleibt es ja nicht aus, daß auch Ihnen, dem nicht so bewanderten Spontan-Besucher, ein Stück bekannt vorkommt. Das wird Ihren Kontrahenten, der Sie schon an der Abendkasse argwöhnisch beäugte, und den Rest des Opernhauses sicherlich interessieren, darum sollten Sie es Ihnen unbedingt mitteilen. Fühlen Sie sich wie zu Hause: Summen Sie, singen Sie, klatschen Sie (unrhythmisch) mit, und wenn Sie Lust haben, regen Sie Ihre Reihe zum heiteren Schunkeln an. Gibt die Oper oder Inszenierung Anlaß dazu, lassen Sie Ihren Emotionen in dieser gefühlslosen Gesellschaft ohne Bedenken freien Lauf. Da Sie weder den Inhalt der Oper noch die Besetzung kennen, kann Ihnen Ihr kompetenter Nachbar mit Sicherheit Abhilfe verschaffen. Nun müßte er langsam Schaum vor dem Mund haben. Warten Sie, bis er sich beruhigt hat. Lassen Sie nun "zufällig" Ihr Programmheft fallen, und entschuldigen Sie sich vielmals. Sollten Sie feststellen, daß dem Möchtegern-Hanslick ein Sänger überhaupt nicht gefällt, was er durch Kopfschütteln, Haare raufen oder leise Flüche zum Ausdruck bringt, applaudieren Sie demjenigen um so frenetischer zu. Die anderen Gelegenheits-Besucher werden Sie für einen Fachmann halten und Ihr Objekt der Begierde sich mehr und mehr verkrampfen.

Nun gibt es ja auch Opern, die nicht so eingängig oder sogar atonal sind. Signalisieren Sie den anderen Zuhörern und -sehern, daß Sie wissen, daß die Oper zu Ende ist, was Sie am Verlöschen des Lichts (daher der Titel) oder am Fallen des Vorhangs bemerken, indem Sie zu Klatschen beginnen. Sie werden mit Sicherheit bald nicht mehr der einzige sein, Sie müssen eben nur hartnäckig dabei bleiben, notfalls die Applaus-Frequenz erhöhen.

Gerade bei oben erwähnten Opern bleibt eine schleichende Langeweile nach dem häufig schönen Vorspiel bzw. Ouvertüre nicht aus. Vertreiben Sie sich die Zeit, tätigen Sie Anrufe, schreiben Sie SMS', erledigen Sie all Ihren liegengebliebenen Büro-Kram. Nach der für Sie ernüchternden Konversation über die neuste CD der "Drei Tenöre", Helmut Lotti oder André Rieu müßte ihr Feind langsam aber sicher die Stuhllehne abgerissen haben. Der tosende Buh-Sturm (dabei war es doch so schön!!!) zeigt, dass die Vorstellung tatsächlich zu Ende ist (wie konnten Sie auch ahnen, daß der Vorhang lediglich zum Umbau bestimmt war?!).

Und nun denken Sie mal nach: Rechts neben Ihnen sitzt ein designierter Gewalttäter, die teure Jacke von dem italienischen Modedesigner spukt Ihnen schon lange im Kopf herum (hoffentlich wurde sie nicht geklaut!), das Opernhaus hat bestimmt 1500 Plätze, es ist fast ausverkauft und langes Anstehen konnten Sie noch nie leiden, also gehen Sie schon mal zur Garderobe. Das viele Klatschen für überbezahlte Sänger machen Sie als ehrlicher Steuerzahler sowieso schon aus Prinzip nicht mit. Wenn Sie es geschafft haben, weder der Chor noch die Sänger noch das Orchester vollends zu verwirren, können Sie sicher sein, dass das ein sehr, sehr gutes Opernhaus ist.

Noch ein kleiner Tipp unter Feinden: Sollten Sie auf irgendeine Art und Weise mitkriegen, das ich einen Besuch Ihrer Vorstellung plane (und ich rate Ihnen das), bleiben Sie lieber zu Hause und kurieren Sie Ihre Erkältung aus. Wolfgang Schmoller