In Hamburg setzt man derzeit eine neue Waffe im Kampf gegen offene Drogenszenen und Obdachlose, die Schutz vor der Kälte in den Zugängen zu U-Bahnhöfen suchen, ein. An mindestens zwei U-Bahnhöfen der Linie U2 (Hauptbahnhof, Lübecker Straße) vertreibt man Junkies, Dealer und Clochards aus den Gängen, indem man die Gänge mit klassischer Musik beschallt. Offenbar geht dies den von den Hamburger Verkehrsbetrieben für mißliebig gehaltenen Gruppen der Gesellschaft so sehr auf die Nerven, daß sie die entsprechenden Gänge nicht mehr aufsuchen mit dem Ergebnis, daß diese Gänge menschenleer sind. Inwieweit man sich jetzt als Bahnfahrer dadurch sicherer fühlt, sei mal dahin gestellt. Die Qualität der Beschallung läßt sowieso ziemlich jeden nur noch im Eilschritt die Gänge durchschreiten. Was außer der Flucht bleibt einem auch übrig, wenn aus Lautsprechern billigster Machart ein Mozart-Klavierkonzert oder eine Haydn-Symphonie in verzerrten Tönen an das Gehör gelangt, und man daher zunächst sogar vergeblich raten kann, von welchem Komponisten man gerade vertrieben wird (daß man eine Chance hat, den Interpreten zu erkennen, ist natürlich vollkommen illusorisch)? Mal davon abgesehen, daß diese Komponisten das nicht verdient haben, kann man sich nicht einmal durch einen Walkman schützen, denn die Töne durchdringen auch die eigene Gegenbeschallung problemlos.

Aber vielleicht handelt es sich hierbei ja nur um einen großangelegten Test einer neuen Superwaffe des Militärs? Diese Waffe könnte den alten Traum der Menschheit von der Waffe, die alle Kriege beendet, erfüllen und entlastet die Verteidigungshaushalte immens. Man benötigt nur ein paar Hubschrauber, einige billige Lautsprecher sowie CDs von Mittelklasseinterpreten, und schon schwebt man über einem Kriegsgebiet ein, beginnt ein Konzert vielleicht mit Bach, geht über zu Brahms und endet dann mit Beethovens 9. Symphonie, in der alle Menschen Brüder werden. Zu diesem Zeitpunkt werden jedoch schon alle Soldaten das Schlachtfeld fluchtartig verlassen haben, und den Kampf sein lassen, da man sich unter diesen Klängen ja nicht anständig auf das Töten konzentrieren kann. Bei einer längeren Beschallung würde auf diese Weise sogar eine alte Pazifistenutopie wahr werden: "Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin."
Dr. Carole Thura