"Z MRTVÉHO DOMU" - 21. Dezember 2014

(Aus einem Totenhaus)

Eine Wiederaufnahme eines ziemlich gelungenen "Totenhauses" konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Vor allem nicht, nachdem klar war, daß der einzige Sänger, der mir wirklich mißfallen hatte, ersetzt werden würde.

Allerdings hätte ich mir Ladislav ELGR, der von John Mark Ainsley die Rolle des Skuratov "geerbt" hat, besser mal vorher angehört, dann wäre mir eine Enttäuschung erspart geblieben: Der Mann ist der reinste Ainsley-Klon. Vielleicht hat er deswegen die Rolle bekommen, vielleicht hat man ihm auch eine Aufnahme von Ainsley gegeben und gesagt "Das singst du jetzt genauso". Wie dem auch sei, Elgr gleicht Ainsley in vielem - seine Töne klingen gequetscht, man hört ihn über das Orchester nicht, und ein paar Mal sang er auch nicht ganz richtig - und sagte mir deshalb genauso wenig zu.

Die Umbesetzung der Rolle des Siskov mit Pavlo HUNKA ist ähnlich unerfreulich und das nicht nur weil sich der direkte Vergleich mit seinem Vorgänger, Roman Trekel, aufdrängt. Auch Hunka gelingt es nicht, sich über das Orchester Gehör zu verschaffen und ihm fehlt die Ausdrucksstärke, die diese Rolle nun mal verlangt. Einige falsche Töne und ein breiter englischer oder amerikanischer Akzent haben da auch nicht weiter geholfen.

Haken wir den unangenehmen Teil gleich ab: Jirí SULZENKO (der Platzmajor) ist in den drei Jahren seitdem ich ihn zum letzten Mal gesehen habe, auch nicht überzeugender geworden. Eine überraschendere Enttäuschung war Ján GALLA als Cekunov. Auch er war teilweise schlecht zu hören und ein oder zwei falsche Töne habe ich auch gehört. Ich hoffe mal, daß es einfach nur nicht sein Tag war.

Was die meisten Rollen angeht, kann ich mich nur wiederholen: Die Rollen des Popen (Arttu KATAJA), des betrunkenen Sträflings (Stephen CHAMBERS), des Kochs und Schmieds (Maximilian KRUMMEN) und der Dirne (Eva VOGEL) sind und bleiben zu klein, um sie ernsthaft zu kommentieren. Kedril (Marian PAVLOVIC) und Don Juan (Ales JENIS) fielen wieder eher durch gutes Schauspiel als durch ihre wenigen Zeilen Gesang auf. Stephan RÜGAMERs Cerevin fiel mir dieses Mal positiver auf.

Heinz ZEDNIKs Stimme hat ein wenig nachgelassen, er war häufiger schlecht zu hören. Sonst gefiel mir sein alter Sträfling immer noch sehr gut. Vladimír CHMELO spielt den kleinen Sträfling sehr überzeugend und mit angenehmer Stimme mit solider Tiefe.

Eric STOKLOSSA passt immer noch einfach zu gut auf die Rolle des Aljeja, stimmlich wie schauspielerisch. Peter HOARE gelingt als Sapkin eine sehr gute Balance zwischen Komik und Tragik und die Flexibilität seiner Stimme ist weiterhin beeindruckend.

Peter STRAKA, den ich mittlerweile in drei Rollen in dieser Oper gesehen habe, bekommt hier weiterhin nur die Rolle des großen Sträflings und das ist weiterhin schade, da er stimmlich genau das hat, was keiner der Skuratovs (eine Rolle, die Straka in Zürich wirklich gut sang) dieser Produktion je auf die Bühne bringt.

Der einzige wirklich erfreuliche Neuzugang war Tom FOX als Gorjancikov. Fox war einer der Wenigen, die nie Schwierigkeiten hatten, sich gegen das Orchester durchzusetzen. Sein Schauspiel ist überzeugend und er nennt eine wirklich schöne und kräftige Stimme sein eigen. Gerne wieder!

Und schließlich Stefan MARGITA, als Luka Kuzmic. Was soll ich noch sagen? Einer der überzeugendsten Sänger, die ich je auf einer Bühne gesehen habe. Nie fällt er aus der Rolle, selbst wenn er nur im Hintergrund zu sehen ist, und nie läßt seine Stimme nach. Sein Gesang ist nach wie vor extrem ausdrucksvoll und einfach wunderbar anzuhören. Die Rolle scheint er mittlerweile perfektioniert zu haben und ich kann ihn guten Gewissens als meinen Lieblings-Luka bezeichnen.

Leider muß ich dieses Mal ausgerechnet über das ORCHESTER motzen… Sir Simon RATTLE hat, scheint's, einen Zahn zugelegt und hetzt stellenweise geradezu durch die Musik. Ein paar Unsauberkeiten waren leider die Folge. Außerdem war das Orchester einfach zu laut. Zwar beweisen Sänger wie Margita, Fox, Chmelo oder Straka, daß es durchaus möglich war sich über das Orchester Gehör zu verschaffen, dennoch ging einfach ein viel zu großer Teil des Gesangs etwas verloren. Wobei ich, in aller Fairness, nicht ausschließen will, daß es eventuell auch mit der Akustik des Schillertheaters und meiner Platzwahl zu tun hat. Die reinen Orchesterstellen, allen voran die Ouvertüre, waren dafür wieder brillant und konnten begeistern.

Außerdem möchte ich die Entscheidung loben, daß Stück nicht mit einem Applaus bei Erscheinen des Dirigenten zu beginnen, sondern mit einem plötzlichen Ausschalten der Lichter bei gleichzeitigem Beginn der Ouvertüre.

Die Inszenierung (Regie: Patrice CHÉREAU, Wiederaufnahme: Peter MCCLINTOCK) ist gleich geblieben; die Bühne umgeben von hohen Mauern, die Kostüme so allgemein wie möglich gehalten und die Untertitel (Erik BORGMAN) mitten ins Bühnenbild projiziert.

Der Chor (Leitung: Frank FLADE), dieses Mal nur mit Ausnahme der ersten paar Zeilen auf der Bühne, war eine Freude und schauspielerisch möchte ich dieses Mal vor allem Elvira und den Schreiber hervorheben.

Insgesamt war es schön, diese zuverlässig gute Inszenierung noch einmal zu sehen, auch wenn ich meinen ersten Besuch in positiverer Erinnerung habe. NG