"DER FREISCHÜTZ " - 19. November 2002

Alles ist dunkel, keine Hand regt sich zum Beklatschen des Auftritts des unscheinbar hereingetretenen Dirigenten. Zärtlich drohend setzen die Blechbläser ein, und langsam aber sicher wird es hell im Orchestergraben. Das klingt doch vielversprechend, bleibt aber in meinen Augen der beste Moment in dem Freischütz, den Peter KONWITSCHNY 1999 inszenierte. Während der Ouvertüre rast ein Fahrstuhl, der sich links vor dem Vorhang befindet, vom 7. Stock (resp. dem siebten Himmel) runter zu W wie z.B. Wolfsschlucht. Dann jedoch öffnet sich der Vorhang. Das Augenmerk fällt auf einen Bühnenraum (Gabriele KOERBL) bar jeglicher Requisiten.

Nach oben hin läßt sich durch eine Öffnung, die an Poutneys Züricher "Macbeth" erinnert, den Mond betrachten Der Chor und Kilian verspotten Max in einer Art Choreographie. Ob all des Spotts, geht dieser sogar auf die Bauernkapelle los. Ein recht gelungener Einfall ist der, daß Samiel es ist, der die Frage nach dem Probeschuß stellt, quasi als Strippenzieher des Ganzen. Seine Kleidung mit Handtuch und Aktentasche weniger.

In Agathes Haus gibt es einen Tisch, an und auf dem Ännchen mit einer Frauenzeitschrift den schlanken Bursch' besingt. Während Agathes Arie fährt ein großen Vorhang herunter, der auf Grund des Fensters auf eine Hauswand schließen läßt. Die für mich undurchsichtigste Szene ist die in der Wolfsschlucht. Samiel sitzt in seinem Ohrensessel und kommuniziert mit Caspar via Monitor. Wenn dieser die Freikugeln gießt, fallen der Eule, die auf dem Fernseher sitzt, immer mal wieder Körperteile ab, später sogar fällt die ganze Eule herunter. Das sorgt für Gelächter im Publikum, trägt aber nicht wirklich zum Verständnis bei. Der Schluß dieser Szene ist total konfus. Der Mond geht kaputt, auf der Treppe, die in Agathas Haus schon zu sehen war, stehen nun vier Menschen, die Hand zum militärischen Gruß am Kopf, und zu guter Letzt kippt die Pendeluhr um und tickt laut, so laut, daß man auch noch in der Pause davon belästigt wird. Vor dem berühmten Jägerchor tritt Samiel vor den Vorhang und rezitiert den Text, samt allen Tralalas, was angesichts der Tatsache, daß seltsam anmutende Operntexte eines der mannigfaltigen Klischees darstellen, eher sinnlos ist.

Der folgende Gesang desselben zählt mit zu den mit unverständlichsten Szenen. Der Chor singt aus dem Off, die Damen liegen in drei Reihen auf dem Boden, und ein Wolf mit überlanger hängender Zunge rennt zu einer, die ihr Bein hebt. Auch den Auftritt des Eremiten kann ein Peter Konwitschny nicht normal ablaufen lassen, er (der Eremit) sitzt im Publikum, jubelt Ännchen nach ihrer Arie zu, samt fliegendem Blumenstrauß, und versucht gestikulierend die Geschicke auf der Bühne zu lenken, was ihm aber nicht gelingt. Nach dem Schießen, fällt der Vorhang, und der Eremit erhebt sich. Ottokar schaut verwirrt und hält Rücksprache mit der Inspizientin, die entnervt aufgibt. Er kann seine Arie singen und auch noch seine goldenen Visitenkarten verteilen.

Die Kostüme von Gabriele KOERBL erinnern bei den Männern stark an Konwitschnys "Lohengrin". Sie tragen kurze Hosen in grüner Farbe und Jägerhüte. Die Damen sind in knallig bunte Kleider eingehüllt, Ännchen und Agathe in schneeweiße.

Fazit: Das Publikum fand's lustig, ich habe das meiste nicht verstanden, was vielleicht auch daran liegt, daß es eine Sozialkritik an einem Regime sein soll, das nicht mehr existiert, und das ich nur als Kind "erlebte": der DDR. Es ist eine "Kopie" vom Theater Altenburg von vor zwanzig Jahren.

Aber es gab ja auch noch die musikalische Seite. Da überzeugte Danielle HALBWACHS als Agathe, die ein rollendeckendes Portrait zeichnete. Das einzige was mich an ihr störte war, daß ihre Stimme im piano zum Flackern neigt, sie somit nie eine wirkliche Ruhe bei den leisen Passagen einbringt. Ihr Ännchen war bei Sabine RITTERBUSCH in besten Händen. Sie gibt ein in jeder Hinsicht quirliges "junges Ding", sei es im sängerischen, sei es im szenischen Singen und Spielen.

Robert GAMBILL ist ein rollenspezifisch problematischer Fall. Für mein Verständnis ist seine Stimme zu schwer für die Partie des Max. Es fehlt ein wenig die Leichtigkeit, der Lyrismus in seinem Singen, trotzdem weder seine Technik noch die Spitzentöne zu wünschen übrig lassen. Na, ja, er kommt ja auch von Mozart und Rossini. Aber er war in jedem Fall besser, als der ausgesungene Poul Elming, der die Partie vor ihm sang. Ich denke, daß man auf Gambills "Tannhäuser" gespannt sein darf.

Sein Widersacher Caspar wurde von Albert DOHMEN mit mächtiger Stimme gesungen. Er schaffte es, den bösen Charakter glaubhaft auf die Bühne zu bringen. Er verfügt über die profunde, durchschlagskräftige, bassige Tiefe, die für diese Rolle unabdingbar ist. Lediglich die gerollten R's in den Dialogen und die zahlreichen Umlaute, v.a. bei seinem "Schweig, damit dich niemand hört" und im Finale, die z.B. einen "Triümpf"-Ruf schufen, waren etwas enervierend.

Dieter WELLERs Cuno gefiel in erster Linie in seiner Erzählung, also da, wo er nur zu sprechen hatte, blieb ansonsten unauffällig. Wolfgang RAUCH nervte als Ottokar weniger, als man es sonst von ihm kennt, dennoch ist seine Stimme reichlich fahl. Andreas HÖRL, der den Eremiten von dem grandiosen Simon Yang übernahm, genoß sichtlich, daß er mal im Mittelpunkt stehen durfte. Die Bravos für ihn rührten vermutlich nur daher, daß er soviel zu spielen hatte, ansonsten hört man nur eine steife, langweilige Stimme. Jan BUCHWALD machte seinen Kilian mit Anstand, ohne wirklich aufzufallen.

Frieder STRICKER war zum ersten Mal als Samiel zu sehen. Er ist jedenfalls ein besserer Schauspieler, als er ein Sänger ist, obwohl er auch in ersterem nicht so überzeugt. Die Brautjungfern (Birgit BRÜNING, Sabine NOLDE, Heike LIMMER und Gisela WEINTRITT) klangen allesamt gleich quietschig.

Ingo METZMACHER schuf mit seinem PHILHARMONISCHEN STAATSORCHESTER einen kammermusikalischen Klang. Das Vorspiel zum zweiten Akt lief zwar manchmal etwas auseinander, dafür war der Walzer reif für das Wiener Neujahrskonzert. Von der Wolfsschlucht hätte man aber doch ein bisschen mehr Abgründigkeit erwartet. Der CHOR unter Florian CSIZMADIA hatte einen rabenschwarzen Tag. Kaum ein Einsatz kam zusammen hin. So wirkte das Lachen der Frauen im ersten Akt wie synkopisches Keifen.
Wolfgang Schmoller