"MACBETH" - 27. September 2014

Möglicherweise hat der Regisseur Carlos WAGNER im Vorfeld seiner Kieler "Macbeth"-Produktion eine Aufführung in Lübeck besucht. Das Konzept erinnerte nämlich verdächtig an diese. Auch hier geht es um Kinder, allerdings eher aus der Sicht von Macbeth und nicht aus der der Lady. Aber hier wie dort, wollte das Konzept einfach nicht so recht aufgehen, bzw. es war in beiden Fällen mehr oder weniger schlecht umgesetzt.

Macbeth und die Lady haben keine Kinder. Deswegen denken sie nicht an die Zukunft, sondern leben nur im Augenblick. So steht es jedenfalls im Programmheft. Auf der Bühne kann man das nur erahnen, wenn die Hexen wie Schulkinder gekleidet sind, und Macbeth sich mehr auf dem Boden rumwindet als sich aufrecht zu bewegen. Aber weder verstand ich, warum er dieses tat, noch das absurde Spiel, das die Hexen in der zweiten Hexen-Szene gespielt haben.

"Macbeth" ist in meinen Augen ein Stück über Abhängigkeit. Die Lady braucht Macbeth, um an die Macht zu gelangen, weil sie es als Frau in der Zeit ungleich schwerer hat oder weil sie sich nicht die Hände schmutzig machen will. Macbeth braucht seine Frau, um ihn anzuleiten, wie er sein Ziel erreicht. Dieses darzustellen, gelingt Wagner überhaupt nicht. Diese Lady braucht niemanden für irgendwas. Dieser Macbeth will nichts. Auch wenn die Lady die klar dominante Person ist, halte ich es für falsch, daß sie ihn ständig - auch auf dem Bankett vor allen Leuten - degradiert.

Zu Gute halten muß man der Inszenierung jedoch, daß es ca. zehn Minuten gibt, in denen sie mir richtig gefällt und zwar von dem Mord an Banco, bei dem die Mörder suggerieren, daß sie Fleance erwischt haben bis zum Beginn des Banketts, als die Lady ihrem Mann keinen Champagner einschenkt, weil er sich in der vorigen Szene verweigert hat, die Krone aufzusetzen. Zudem hat Wagner ein unglaubliches Gespür für eindrucksvolle Bilder (Bühne Rifail AJDARPASIC). Leider klang die Maschine zum sehr häufigen Heben und Senken der Bühne wie ein getunter Schiffsdiesel...

Weshalb Macbeth ab dem Bankett wie ein Rock'n'Roller aus dem Rotlicht-Millieu aussieht (den Schlangenlederanzug konnte ich von meinem Platz nicht erkennen, sondern nur auf Bildern im Internet), erschließt sich mir nicht. Die restlichen Kostüme von Christoph CREMER störten nicht weiter.

Musikalisch gibt es zum Glück weit weniger zu bemängeln. Dario SOLARI machte als Macbeth eigentlich nichts falsch, aber es fehlte mir einfach die rechte Identifikation mit der Rolle und die Power eines Verdi-Baritons. Er war mir auch etwas zu unterwürfig in den Duetten.

Anna MARKAROVA (Lady) kostete ihre Rolle genußvoll aus. Sie machte in jedem Moment klar, wer hier das Sagen hat. Da hat niemand zu widersprechen! Anfängliche Unsicherheiten in der Höhe legten sich mit der Zeit. Zudem ist sie eine ausgesprochen präsente Darstellerin.

Yoonki BAEKs Macduff hätte weniger Larmoyanz gut getan. Sergey KOVNIR (Banco) verfügt über einen sehr wohlklingenden Baß, hätte aber aus der Rolle insgesamt mehr machen können. Michael MÜLLER war ein solider Malcolm.

Anna PETROVA ließ als Kammerdame aufhorchen und Marek WOJCIEKOWSKI war erwartbar reinster Luxus als Mörder und Arzt.

Georg FRITZSCH holte aus seinen KIELER PHILHARMONIKERN einen fast schon veristischen Sound heraus. Die mutigen Tempi wurden perfekt umgesetzt. Den gewaltigen Akkord nach "l'enigma oscuro" in der zweiten Hexen-Szene habe ich bislang noch nie so eindringlich gehört. Die Hexen hätte ich mir zwar eine Spur mystischer gewünscht, aber ansonsten präsentierte sich der CHOR unter Lam Tran DINH in sehr guter Verfassung. WFS