„ADRIANA LECOUVREUR“ – 30. April 2005

In diese Produktion konnte man sich bereits aufgrund der Fotos auf der Website des Theaters verlieben. Sie ist, um es gleich vorweg zu sagen, ein Meisterwerk. Ein Meisterwerk von bemerkenswerter Schlichtheit, bei dem Marc ADAM gelang, Begeisterung sowohl bei den Leuten, die Cileas Oper bereits kennen, als auch bei denen, die kaum Stücke hieraus kennen, zu erzeugen.

Das Bühnenbild (Barbara RÜCKERT) ist schlicht, aber praktikabel, denn die Produktion konzentriert sich zu Recht auf die Beziehungen der Figuren untereinander, die exemplarisch herausgearbeitet werden. Die Kostüme (Pierre ALBERT) entsprechen eher dem Typ des entsprechenden Sänger als denn einer Zeitepoche und waren so durch die Bank weg sehr kleidsam. Das Ballett um das „Urteil des Paris“ auf dem Fest der Fürstin (Choreographie: Pascale CHEVROTON) haben wir nicht wirklich verstanden, doch das sollte wohl so sein. Außerdem brachte es einen reizvollen Hauch von Modernität.

Marc Adam setzt in seiner Sichtweise viel auf psychologische Aspekte, was den Abend schon so jede Sekunde spannend sein ließ, dazu kommen dann überraschende Variationen und Einblicke im Bühnenbild, z. B. die Bühne der Comédie von hinten oder der Palast der Eheleute Bouillon, in welcher sich der Festsaal drehte. Hingegen starb Adriana am Ende in einer ganz schlichten Kulisse, was den Blick von dem menschlichen Drama, das sich dort ereignet, in keiner Sekunde ablenkte.

Eine Inszenierung von solchen Standard benötigt natürlich eine musikalische Entsprechung. An diesem Abend war uns auch noch das Dirigentenglück hold. Frank Maximilian HUBE stand am Pult des LÜBECKER PHILHARMONISCHEN ORCHESTERS und zauberte ein Verismo-Feuerwerk, das seinesgleichen sucht. Dabei hörte man in manchen Passagen Noten, die einem in dieser Schönheit niemals zuvor aufgefallen sind. Das Dirigat zeichnete sich durch leidenschaftlichen Schwung, dabei jedoch auch immer große Genauigkeit aus.

Die Spielfreude des Orchesters übertrug sich auf die Bühne, wo größtenteils großartig gesungen und engagiert agiert wurde. „Adriana Lecouvreur“ ist die - tragische - Geschichte einer Diva, und Mardi BYERS war ohne Zweifel eine solche Heroine des Theaters. Diese Partie war eine weitere Steigerung ihrer bisherigen musikalischen Leistungen in Lübeck. Darstellerisch zeichnete sie das berührende Porträt einer Frau zwischen Bühne und realem Leben, die bereit ist, mit allen Mitteln um ihre Liebe zu kämpfen.

Alina GURINA war als Fürstin dieser geballten Frauenpower ebenbürtig, und so geriet die Szene der beiden im Pavillon zu einem fulminanten Stück großen Musiktheaters fast bis zu Handgreiflichkeiten. Dieser Mezzosopran ist ein guter Fang für das Lübecker Theater. Ihr sehr dunkel timbrierter Mezzo sprüht nur so vor Temperament. Diese Dame bitte gern öfter und in vielen anderen Rollen!

Michonnet geriet in Gerard QUINNs Interpretation von der baritonalen Randfigur zu einem der Angelpunkte des Stücks: der Impressario, der Macher hinter den Kulissen, der in seiner unerwiderten, tiefen Liebe zu Adriana nicht anders kann, als ihrem Glück mit einem Anderen zu einem guten Ende verhelfen zu wollen. Insbesondere in den Momenten, in denen er Adriana anbeten darf, schwelgt die Stimme in perfekt ausgesungenen Bögen. Er kann eben nicht nur böse, und Adrianas Tod in seinen Armen war letztendlich einfach zum Heulen anrührend.

Patrick BUSERT machte mehr aus dem Abbé, als dieser eigentlich hergibt. In absolut jeder seiner Szenen schauspielerisch präsent, selbst wenn er nur im Bühnenhintergrund herumsteht, ist dieser Geistliche für alle anderen Figuren nicht ungefährlich. Sein auch diesmal tadelloser Gesang war von vornherein einer der garantierten Pluspunkte des Abends. Andreas HALLER schafft es als Fürst, seine große ausladende Stimme ohne Schwierigkeiten Parlando singen zu lassen, was dem Sänger in anderen Partien durchaus nicht immer gelang. Er hielt auch problemlos in dem Geschwindigkeitsrausch mit, in den sich der Abbé und er in ihrem Duett im ersten Akt steigerten.

Annette PFEIFFER, Stefanie KUNSCHKE, Benno SCHÖNING und Joe TURPIN als Mitglieder der Comédie Française rundeten mit ihren durchweg sehr guten Leistungen den Abend ab. Ach ja, und Mario DIAZ, laut Besetzungszettel als Maurizio angesetzt, bekam nach der Pause eine Ansage. AHS & MK