"LES COMTES D'HOFFMANN" - 17. Oktober 2002

2002 scheint für mich das Jahr der Neuentdeckungen zu sein ,auch was Opernhäuser anbelangt. Nach der intimen Atmosphäre Pesaros nun Paris und die Bastille. Einerseits verstehe ich die Pariser, die gegen die Bastille sind, denn es ist ein sehr kühles Bauwerk. Andererseits ist es aber für den Besucher sehr bequem, bietet von nahezu jedem Platz optimale Sicht, um allerdings die Akustik echt zu beurteilen, saß ich zu nahe an der Rampe.

Die enorme Bühne muß man natürlich ausnützen und füllen. Dies tat der Regisseur Robert CARSEN nicht in allen Szenen optimal, dennoch fand ich diese Inszenierung interessant und durchaus annehmbar (im Gegensatz zu der Produktion, die er in Wien mit "Jerusalem" ablieferte, auch im Gegensatz zu der umstrittenen "Frau ohne Schatten", die ich allerdings noch nicht kenne). "Hoffmann" bietet natürlich auch reichlich Gelegenheit, Phantasie spielen zu lassen, und nachdem es sich um vier nicht wirklich verbundene Geschichten handelt, kann man verschieden vorgehen, ohne daß man Gefahr lauft, eine Linie zu unterbrechen oder sich zu verirren.

Am besten gelungen erschienen mir der Olympia- und der Antonia-Akt. Vor allem der letztere fand eine sehr interessante Lösung. Antonia geht in das Theater, in dem die Mutter Triumphe gefeiert hatte, sie atmet Theaterluft, sie sucht Noten im Orchestergraben, sie erliegt den Einflüsterungen eines Dirigenten, sie sieht in ihrer Phantasie die Mutter in ihrer Traumrolle auf der Bühne und kann der Versuchung, auch auf der Bühne zu singen, nicht widerstehen, wohl wissend, daß es ihr Ende bedeuten könnte. Der Giulietta Akt fiel dagegen ab, bot zwar eine gewisse Originalität, aber konnte nicht ganz überzeugen. Das Vorspiel und den Schluß fand ich sehr, sehr kühl, für romantische, phantastische Charaktere war da kein Platz.

Das ORCHESTER hatte mit Jesus LOPEZ COBOS einen ganz subtilen und der Musik Offenbachs zugetanen Dirigenten gefunden. Und auch die Sänger fanden bei ihm jene Unterstützung, die guten Sängern zusteht.

Und es waren alle gut, manche brillant. Neil SHICOFF, der Hoffmann des Abends, hatte sich ansagen lassen ob einer Erkältung, man konnte auch am Anfang eine leichte Befangenheit feststellen, aber im Laufe des Abend wurde seine Stimme frei, und die Interpretation war intensiv, wie von ihm gewohnt. Hoffmann ist und bleibt einer seiner stärksten Rollen.

Die Bösewichter wurden von Laurent NAOURI interpretiert. Von der Stimme her wirklich nicht ein Bösewicht! Sein Baß ist nicht sehr charaktervoll und eher hell timbriert, aber darstellerisch schlüpfte er in die verschiedenen Rollen voll Elan. Am besten war auch er im Antonia-Akt. Die Spiegelarie blieb aber wegen der fehlenden Tiefe wenig eindrucksvoll.

Von den vier Damen waren Antonia (Ruth Ann SWENSON) und Olympia (Desirée RANCATORE) jene, die ihre schwierigen Rollen mit der höchsten Bravour sangen. Es fällt mir schwer, bzw. es ist mir unmöglich einer der Damen den ersten Platz einzuräumen, sie waren beide von wunderbarer Gesangs- und interpretatorischer Qualität.

La Muse /Niklause (Kristine JEPSON) konnte die Charaktere gut darstellen, die Stimme war zwar auch etwas klein, aber bestens geführt. Beatrice URIA-MONZON, eine gefeierte Carmen, mußte auch hier eine attraktive Frau darstellen und Erotik über die Stimme zu glühen bringen. Und es gelang ihr bestens.

Von den weiteren Sängern sind noch Michel SENECHAL in den Diener-Rollen und Alain VEMHES als Crespel hervorzuheben. Beide haben neben der stimmlichen Bewältigung auch darstellerisch sehr viel eingebracht.

Die Stimme der Mutter (Nora GUBISCH) war, wenn man es so sagen kann, die einzige Enttäuschung. Ich hätte mir hier eine rundere Stimme gewünscht, aber vermutlich hat man im Hinblick auf den szenischen Ablauf, den Auftritt der Mutter in einer ihrer Rollen, auch eine Stimme ausgewählt, die dem schrillen Charakter entgegen gekommen ist.

Ich war von dem Abend sehr angetan , da er im Gesamteindruck mehr als zufriedenstellend war. EH