"DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN" - 24. Oktober 2002

Janaceks Alterswerk - er war 68, als er die Oper schrieb - hat eine kuriose Entstehungsgeschichte. Die Brünner Tageszeitung "Lídové noviny" hatte eine Sammlung von 200 Zeichnungen des mährischen Malers Stanislav Lolek gekauft. Der Feuilletonist Rudolf Tesnohlidek begleitete diese Serie mit einem Text, die 1920 als bebilderter Fortsetzungsroman in "Lídové noviny" erschien. Janaceks langjährige Haushälterin Marie Stejskalova las die Geschichte täglich mit großem Vergnügen und zeigte diese eines Tages dem Komponisten, der sie dann selbst zu lesen begann. Die Humanisierung der Tierwelt in der Figur des Försters, der sich für eine kleine Füchsin begeistert, war natürlich für den Pantheïsten Janacek, der jeden Morgen um 6 Uhr aufstand, um die Vögel singen zu hören, eine Herzenssache. Janacek hat hier seine abgeklärteste und persönlichste Partitur geschrieben. Die Uraufführung der Oper fand am 6. November 1924 in Brünn statt.

Die Inszenierung dieser "Kinderoper" - die eigentlich keine ist, obwohl viele Kinder im Publikum waren - ist eine heikle Angelegenheit. Man kann sehr leicht in Albernheit oder Kitsch verfallen. André ENGEL hat beide Fallen vermieden und eine einfache, realistische Inszenierung geschaffen. Sein langjähriger Mitarbeiter Dominique MULLER sorgte für die dramaturgische Koordination. Mit Nicky RIETI hat Engel schon viel zusammengearbeitet. Dieser hat ein sehr passendes Bühnenbild geschaffen: alles spielt entlang eines Eisenbahngleises (mit zwei Telegraphenmasten), auf dem nie ein Zug fährt, mit einem Feld Sonnenblumen als Hintergrund, in dem sich die zahlreichen Tiere tummeln oder verstecken. Der Förster lebt im Lagerhaus, denn das Gleis endet davor mit einem Prellbock.

Die entzückenden Kostüme von Elisabeth NEUMULLER passen blendend in das Konzept. Zwei Schnaken mit langen spitzen Schnäbeln ziehen mit einer großen Injektionsspritze dem Förster Blut ab, die drei Mücken tragen Brillen, die Grille läßt einen kleinen Drachen fliegen, ein stattlicher Hirsch kommt aus dem Wald, sowie zahlreiches anderes Getier, ein Grünspecht mit rot-grüner Kokarde, begleitet von zwei Eulen, traut das Fuchspaar am Schluß. Die Hühner sind in weißer oder roter Unterwäsche der zwanziger Jahre. Die Füchse sind in rotbraune Anzüge gekleidet, die Mädchen mit langen, diskret roten Haaren, die Männchen eher braun, mit langen buschigen Schwänzen. Die feenhafte Seite dieser Oper wird hier mit Leichtigkeit und Transparenz durchgesetzt, ohne irgendwo ins Lächerliche zu verfallen. André DIOT sorgte für die sehr gelungene Beleuchtung. François GRES zeichnete für die passende Choreographie. Ein Augenschmaus!

Die Ohren kamen auch nicht zu kurz. Jonathan DARLINGTON leitete das ORCHESTRE NATIONAL DE FRANCE (das erste Rundfunkorchester) mit hörbarer Liebe zu der Musik, unterstrich die dramatischen Stellen, wie den Hornchoral im 3. Akt, ohne die lyrischen zu vernachlässigen. Er verband perfekt die Bühne mit dem Orchestergraben, mit Umsicht für die Sänger.

Die springlebendige Rosemary JOSHUA kletterte über Mauern, sprang über alle Hindernisse und sang hingebungsvoll die Titelrolle der Bystruska. Besonders in der Szene der erblühenden Liebe im 2. Akt konnte sie ihren strahlenden Sopran zur Geltung bringen. Ihr Revolutionsaufruf (auf dem Prellbock!) war ein Höhepunkt. Ihr zur Seite war Hanne FISCHER als kecker, draufgängerischer Fuchs, stimmlich wie darstellerisch sehr überzeugend. Yuri BATUKOV war ein etwas junger Förster Revirnik, doch gab er mit seinem angenehm timbrierten Bariton der Rolle eine gute Dosis Nostalgie. Sein Trauergesang um den Tod der Füchsin am Ende der Oper war ergreifend, ohne in Sentimentalität zu verfallen.

Alexander VASSILIEV gab dem wandernden und wildernden Geflügelhändler Harasta die richtige Verschlagenheit. Stefan MARGITA war ein verklemmter Dorflehrer, der nach der Trinkerei vom Fahrrad fällt. Den träumerischer Pfarrer sang Gregory REINHART, aber auch der plumpe Dachs, den Bystruska aus seinem großen Kanalrohr delogiert. Claire GEOFFROY-DECHAUME als dichtender Dachshund kletterte aus dem Kanalrohr, als Hundehütte dient und erklärte Bystruska das traurige Leben am Hof des Försters. Die zahlreichen kleineren Rollen (meistens zwei) wurden von den jungen Sängern ganz vortrefflich gesungen: Amy BULL, Emmanuelle FRUCHARD, Sophie HAUDEBOURG, Susan MILLER, Chantal SANTON, Philippe DO und Terence NEWCOMBE.

Claire LEVACHER hatte den CHOR DES THÉÂTRE DES CHAMPS ELYSÉES ausgezeichnet einstudiert. Die Kinder der MAïTRISE DES HAUTS DE SEINE unter Gaël DARCHEN spielten und sangen fröhlich die Insekten, Vögel und vielen Füchslein (das Fuchspaar ist ja sehr fruchtbar - ich habe 20 kleine Füchse gezählt - und will noch mehr!)

Ein sehr erfreulicher Abend, wo Musik und Szene ideal zusammenpaßten! Das ist so selten geworden, dass man es besonders hervorheben muß. Das Publikum, u.a. viele Kinder, spendete tobenden Beifall. wig.

PS: Es ist zu betonen, daß dies in Paris die vierte Produktion in Zusammenarbeit mit der Oper von Lyon seit Juni ist.