"SERSE"- 23. November 2003

Jeder Musikfreund kennt das „Largo“ aus „Xerxes“, aber wie viele kennen die Oper? Eine der letzten Opern Händels, wurde „Serse“ 1738 im Haymarket Theatre in London uraufgeführt. Es gab ganze fünf Vorstellungen, und dann wurde die Oper für über 200 Jahre vergessen. Der Text von Nicolo Minato wurde bereits 80 Jahre vorher von Cavalli vertont. Auch Bononcini – Händels Rivale in London – vertonte den Text 1694 in einer Überarbeitung von Silvio Stampiglia. Händel übernahm Bononcinis „Xerse“ und lieh sich viel aus. Jedenfalls ist die Handlung von nicht sehr hohem Niveau, eher eine Farsa der Commedia dell’ arte im venezianischen Stil.

Die Geschichte dreht sich um zwei Brüder, die die selbe Frau lieben, und ihrer intrigierenden Schwester. Beide Brüder haben natürlich eine treue Seele, von der sie geliebt werden, zur Seite. Die Intrige ist so alt wie das Theater und findet sich in ähnlicher Form bei Goldoni, Feydeau oder Nestroy. Da am Anfang des 18. Jahrhunderts eine Oper unbedingt irgendwo im historisch-antiken Dreieck zwischen Athen, Persepolis und Luxor spielen mußten, ist bei Stampiglia und Händel das Ganze in einer pseudo-persischen Verpackung, mit einer verkleideten ägyptischen Prinzessin als Deus ex machina. Die sozialkritische Seite weist bereits auf die Aufklärung – der diktatorische König Xerxes, ein sturer Knopf, der nichts begreift, ist dem Conte recht ähnlich. Schwester Atalanta raucht die Wasserpfeife. Die beiden Buffobässe könnten auch von Da Ponte erfunden sein: der Diener Elvino hat Züge Osmins oder Leporellos und der General Ariodate ist ein Basilio-Typ.

Gilbert DEFLO (Regie) und sein treuer Mitarbeiter William ORLANDI (Ausstattung) haben die einigermaßen absurde Geschichte nicht tierisch ernst genommen und mit leichter Heiterkeit auf die Bühne gebracht. Pastellfarbige Kulissen und orientalische Phantasiekostüme geben den Rahmen, in dem die brillante Besetzung sich mit Grazie und Schwung bewegt. Selbst die Brücke über den Hellespont wird in „Serse“ strapaziert, hier jedoch nur; damit die beiden streitenden Brüder sich treffen können. Jean-Paul PRACHT beleuchtet alles in einem hellen Licht, das dem geträumten Orient entspricht.

William CHRISTIE und seine ARTS FLORISSANTS (Chor und Orchester – mit der obligaten Theorbe) amüsierte diese orientalisierende Farsa mit den großsprecherischen Dialogen sichtlich und musizierten mit Begeisterung. Bereits die leichtfüßigen Ouvertüren der drei Akte gaben den Ton für dieses Amüsement. Die perfekte Besetzung war unter den Spitzensängern der heutigen Generation ausgewählt.

Allen voran Anne Sofie von OTTER in der Titelrolle hauchte die „Ombra mai fu“ und spielte einen Dandy des englischen Rokoko. Bruder Arsamene wurde von Lawrence ZAZZO mit voll tragendem, melodischem Countertenor brillant dargestellt. Die von beiden Angebetete Romilda hatte in Elizabeth NORBERG-SCHULZ eine perfekte Vertreterin. Ihr prächtiger voller Sopran trug erheblich zum Erfolg des Abends bei. Ihre intrigierende Schwester Atalanta, die auch den schönen Arsamene haben will, spielte Sandrine PIAU mit diskretem Charme und sang mit brillantem Koloratursopran die schwierige Partie.

Der Vater der beiden Mädchen, der etwas vertrottelte General Ariodate, war Giovanni FURLANETTO, der die lächerliche Figur in einer ebenso lächerlichen Phantsie-Uniform mit Pathos brillant zur Geltung brachte. Die treue Amastre, die Xerxes unbekannte verlobte ägyptische Prinzessin, die sich als Krieger verkleidet, um auf den persischen Königsthron zu steigen und immer zur unrechten Zeit auftritt, wurde von der jungen Silvia TRO SANTAFÉ mit Schwung und weichem Mezzo vorgetragen. Der Baß Antonio ABETE war Elviro, der Diener Arsamenes, und hatte in allen möglichen Verkleidungen die Lacher auf seiner Seite, u.a. als Blumenverkäuferin, wobei er im Falsett singt (!!).

Ein sehr genußreicher Abend, den das Publikum sichtlich genoß und mit großem Beifall quittierte. wig.