“IL TROVATORE"- 27. April 2003

Es war ein Wagnis für eine kleines Haus, sich an solches Monument der Opernliteratur zu wagen und man konnte das Ärgste befürchten. Denn ohne sehr gute Sänger sind “Trovatore”, “Rigoletto”, “Tosca” oder “Butterfly” nicht aufführbar. Zu viele “Ohrwürmer”, die man x-Mal auf einer Platte oder im Radio von Stars gesungen gehört hat. Man kann der Oper in Massy bestätigen, daß das Wagnis gelungen ist. Massy hat sich mit drei anderen Opernhäusern zusammen getan und eine Koproduktion mit Saint Etienne, Avignon und Lüttich auf die Beine gestellt mit durchwegs guten, ja ausgezeichneten Sängern.

Von allen Opern Verdis gilt das Libretto des “Trovatore” als das Urbeispiel des konfusen und unwahrscheinlichen Geschehens, nur “La Forza del Destino” ist vermutlich noch absurder. Der junge italienische Regisseur Francesco MICHELI hat vier Elemente der Handlung als Leitlinie verwandt: der Baum, der die Natur, das Leben und die Absurdität des Kriegs symbolisiert, der Turm als Symbol der absoluten Macht, das Feuer des Kriegs und der Passion, beide immer zerstörend, die Nacht, da die ganze krause Geschichte sich praktisch nur nachts abspielt. Die Idee ist durchaus vernünftig und vertretbar.

Nur haben der junge Regisseur und sein eben so junger Szenograf Edoardo SANCHI vermutlich nicht genügend Erfahrung und Handwerk, um dieses Konzept zu verwirklichen. Da es sich um eine Reiseinszenierung handelt, mußte die Szenografie aufs Äußerste beschränkt werden: ein Boden aus ungleichen Steinplatten mit einer runden Versenkung in der Mitte sind der einzige Rahmen, wenn man von den abgeholzten Baumstrünken und Stämmen im 3. Akt absieht. Die Versenkung wird allerdings zu recht unklaren Momenten verwendet. Auf der Rückwand werden bisweilen glitzernder Sternenhimmel oder der genannte Turm projiziert. Die Personenführung ist spärlich, bzw. nicht vorhanden, und wenn es Einfälle gibt, wie ein neckisches Händespiel zwischen Leonora und Inez, ist es eher ungeschickt.

Die Kostüme Elena CICORELLA sind im Allgemeinen passend, nur die beiden Damen sind in nicht sehr kleidsamen, blauen gotischen Gewändern, und die Zigeuner sind viel zu prächtig gekleidet, eher wie orientalische Osalisken. Also, optisch kein wirklicher Erfolg. Der Amboß–Chor war durch ein nicht sonderlich interessantes Ballett (aus Avignon) von Elisabeth BOEKE vervollständigt. Roberto TARASCO sorgte für die passende gruselige Beleuchtung.

Musikalisch war die Aufführung durchaus auf der Höhe. Der Chefdirigent des Orchesters in Massy, Dominique ROUITS, holte aus seinem 50-Mann ORCHESTER sehr flotte Tempi heraus, unterstrich die richtigen rubati und koordinierte auch die Bühne sehr vorteilhaft. Vor allem der CHOEUR DE L’OPERA D‘AVIGNON ET DES PAYS DE VAUCLUSE (unter Stefan VISCONTI) stand völlig seinen Mann.

Die Sängerriege war durchwegs gut, mit einigen alten Haudegen darunter. Manon FEUBEL sang eine sehr dramatische Leonora, mit sehr viel Ausdruck und Hingabe. Bereits ihre 1. Arie “Tacea la notte placida” war sehr schön und intensiv gesungen. Ihr Manrico war Ignacio ENCINAS, nach wie vor seine Paraderolle. Sein gut geschulter spinto Tenor zeigt zwar einige Ermüdungserscheinungen und er tendiert zum Quetschen, aber seine Stretta war absolut hinreißend (und nicht transponiert!).

Sylvie BRUNET ist eine bösartige Azucena, mit wilden Ausbrücken und schönen lyrischen Stellen. “Strida la vampa” war bereits ein großer Augenblick. Heute sicher eine der besten Vertreterinnen dieser Rolle. Der junge Mario GIOSSI besitzt zwar einen etwas rauen Baß-Bariton, aber eine riesige Stimme großen Umfangs, die auch ein viel größeres Haus leicht füllen könnte. Da er noch jung ist, sollte er sich gut entwickeln.

Jérôme VARNIER war ein sehr stimmkräftiger Ferrando, Natacha FINETTE-CONSTANTIN eine passende Inez. Carlo GUIDO (Ruiz), Alain CHARLES (Zigeuner), Arnaud LANEZ (Bote) waren rollendeckend.

Das Publikum war begeistert eine Verdi-Oper, zu sehen, die seit Jahrzehnten nicht mehr in Paris und Umgebung gespielt worden ist. Das soll ja nächstes Jahr anders werden mit einer neuen Produktion in der Bastille mit Alagna bzw. Licitra in der Titelrolle. wig.