“PARSIFAL"- 30. April 2003

Die fünf Jahre alte “Parsifal”-Inszenierung von Graham VICK ist nach wie vor interessant und sehenswert. Michel JANKELLOWITCH hat diese Wiederaufnahme betreut. Die Auffassung ist eher “klassisch” und dem Bühnenweihe-Festspiel näher als bei den meisten anderen Regisseuren. Vicks Regie konzentriert sich besonders auf die effektive Verteilung der Choristen und Umzüge und läßt den Sängern großen Spielraum, was zu einer sehr würdigen Aufführung führt und die Wiederaufnahme erleichtert.

Das weiße Einheits-Dekor von Paul BROWN profitiert von den ungewöhnlichen technischen Möglichkeiten der Bastille-Oper. Zwei nicht konzentrische Drehbühnen, die sich nach Bedarf in gleichem oder Gegensinn langsam drehen, werden teilweise gekippt, gehoben oder versenkt. Diese geschickte Kombination der Bühnenmaschinerie gibt eine Fülle von Möglichkeiten und bisweilen mehrere Spielebenen gleichzeitig, z. B. einen riesigen runden überhöhten Tisch für die Gral-Szene im 1. Akt, oder mehrere Niveaus für den Garten des 2. Akts. Ein Baum und sechs Felsblöcke sind die einzigen Versatzstücke, die mittels der Drehscheiben ins Zentrum oder an den Rand gebracht werden, ein steinerner Zen-Garten. Einzig der Gral in einem schönen Glas-Schrein und ein ähnlich gestalteter leerer Schrein für den Speer werden für die Grals-Szenen hereingebracht und zum Schluß Titurels Sarg – sehr eindrucksvoll.

Die Kostüme (auch von Paul BROWN) sind unauffällig passend, ohne Mätzchen, mit Ausnahme der – bereits erneuerten - Kleider der Blumenmädchen. Nicht klar ist jedoch, weshalb eine einen deutschen Reichsadler und zwei andere das Kreuz der Tempelherren tragen. Vier Ritter-Engel in silberner Rüstung mit riesigen blau-rot-orangenen Papageienflügeln sind zwar dekorativ, aber für diese Stimmung etwas zu bunt.

Hausherr James CONLON dirigierte “Parsifal” sehr breit und weihevoll, bisweilen in “Kna”-Tempi. Er wurde der feierlichen Stimmung des Werkes voll gerecht und das Pariser OPERN-ORCHESTER folgte ihm vorzüglich in dieser Sicht. Sehr dramatisch; ja spannend, waren auch die Chorszenen. David LEVI hatte den CHOR sehr gut einstudiert. Die ausgezeichnete Diktion der Chöre ist besonders beachtenswert.

Die erstklassige Besetzung war sehr ausgeglichen. Kristinn SIGMUNDSON stellte einen stimmlich souveränen und dank seiner hühnenhaften Gestalt dominierenden Gurnemanz auf die Bühne. Voll Weisheit und Güte hütete er die Ritterschar. Neben ihm erschien der stämmige Clifton FORBIS (Hausdebüt) als Parsifal klein: er besitzt die jugendliche Kraft für die Rolle, eine schöne metallische Stimme, spielt nicht sonderlich vergeistigt, eher den Naturburschen, den “reinen Tor”. Katarina DALAYMAN debütierte als Kundry. Ihre prächtige Stimme hat eine große Palette im Ausdruck und verspricht eine ganz große Karriere. Ihre Diktion bedarf jedoch noch einiger Verbesserung.

Albert DOHMEN war ein sehr vergeistigter, intellektueller Amfortas, eher leidend als verzweifelt, stimmlich überragend, eine ganz große Leistung. Einen sensationellen Klingsor stellte wieder Willard WHITE auf die Bühne. Der Jamaikaner stellt mit seinem riesigen Baß einen perfekten Bösewicht dar. Noch ein zweiter Isländer war zu hören, Gudjon OSKARSON, der seinen profunden Baß dem Titurel lieh.

Die Gralsritter waren bei Mihajilo ARSENSKI und Yuri KISSIN, die Knappen bei Valérie CONDOLUCI, Karine DESHAYES, Wolfgang ABLINGER-SPERRHACKE und Sergei STILMACHENKO in guten Händen. Aline KUTAN, Valérie CONDOLUCI, Andrea CREIGHTON, Sinde BUNDSGAARD, Karine DESHAYES, und Nona JAVAKHIDZE waren stimmfrohe Blumenmädchen und, trotz der bizarren Kostüme, mehr als rollendeckend. Ein schöner, sehr würdiger Abend! wig.