„ARIADNE AUF NAXOS“ - 14. November 2004

Nach einigen Wochen recht schwerer Kost war es erholsam, etwas Frivolität zu genießen, besonders wenn diese in so kongenialem Rahmen geboten wurde. Allerdings war diese Wiederaufnahme der Produktion von vor einem Jahr nur eine Transposition mehr – wieder aus Garnier nach Bastille – aber das vierblättrige Kleeblatt Laurent PELLY (Regie und Kostüme) - Chantal THOMAS (Bild) - Joël ADAM (Licht) - Agathe MÉLINAND (Dramaturgie) hat die Übersiedlung mühelos gemeistert. Seit der umwerfenden „Platée“ von Rameau vor ein paar Jahren bis zu Offenbachs „Belle Hélène“ und „Grand-Duchesse de Gerolstein“, die mit großem Erfolg im Châtelet liefen oder laufen, hat dieses Team sich einen Namen in „Entrümpelung“ gemacht, ohne dabei in Exzesse zu verfallen.

Die Handlung in die angeberische Luxusvilla des „reichsten Mannes von Wien“ an ein „ruhiges Eck“ an einen See im Salzkammergut oder in Kärnten zu verlegen, wo die Oper in der Baustelle des neuen Gästehauses spielt, ist eine gute Idee. Wie der „neue Trakt“ einmal aussehen wird, sieht man im Vorspiel: ein protziges Haus mit freistehender Wendeltreppe und Panoramafenstern am verschneiten See. Die Commedia dell’Arte Truppe kommt im BMW vom Flughafen. Die Oper ist „Sun, sea and sex in Naxos“ und die ganze Belegschaft kommt im VW Minibus an den Strand. Da aber das Strandhotel von Mme. Ariadne noch nicht fertig ist, haust diese im Zwischenstock auf einem Klotz, oberhalb der Betonmischmaschine. Die Comedia dell‘Arte-Truppe ist in bunte Karibik-Hemden und blau-gestreifte Bermuda-Hosen gekleidet, Zerbinetta im orangen Bikini und Parero. Doch Pelly und sein Team haben nicht nur das Libretto gelesen, sondern auch den Klavierauszug: die Inszenierung ist haarscharf an die Partitur angepaßt. Jede Geste hat ihren Sinn, jede Bewegung ist choreographiert.

Ziemlich enttäuschend war das Debüt von Peter JORDAN am Pult. Obwohl er versuchte das ORCHESTER DER OPÉRA im Strauss‘schen Orchesterklang schwelgen zu lassen, gelang ihm das aber nicht immer. Das Vorspiel war ziemlich zähe – vor allem in den Streichern. In der Oper löste sich diese Schwere etwas, erreichte aber nie die spritzige Frische dieser außergewöhnlichen Partitur.

Die Besetzung war teilweise die selbe wie vor einem Jahr, im Vorspiel vom Komponisten von Sophie KOCH dominiert. Sie ist stimmlich umwerfend, darstellerisch eine Figur Eichendorffs oder Novalis‘, ein romantischer Träumer in der Welt des Profits. Neu war der Haushofmeister des Schotten Graham F. VALENTINE, der im Frack langsam und versnobt über die Bühne schlürfte. Er gab in perfektem Bühnendeutsch dem aufgeregten Musikmeister von Olaf BÄR und dem Tanzmeister von Xavier MAS, einem abgebrühten Impressario, beide im Smoking, zu verstehen, daß ihre Stellung gleich und untergeordnet ist.

Statt Nathalie Dessay, die krankheitshalber abgesagt hatte, wurde die blutjunge Russin Lubov PETROVA als Zerbinetta für ihr Debüt an der Pariser Oper geholt (nicht ganz verständlich, da ein ausgezeichnete Zerbinetta in der Truppe ist, siehe unten). Ihre Stimme ist zwar etwas gerade, und das Timbre ist nicht sonderlich interessant, aber sie sang die Koloraturen wie gestochen und ihre Höhen waren kristallklar. Da sie auch gertenschlank ist, kann sie sich leisten, im Bikini über die Bühne zu fliegen und ihr Stretching in publico zu machen. Ihre vier Kumpane paßten sich wie im Vorjahr bestens an, vor allem der Harlekin des jungen Stéphane DEGOUT, der nicht nur einen schönen Bariton besitzt, sondern auch blendend spielt. Er wurde sehr vorteilhaft von Daniel NORMAN/Scaramuccio, Alexander VINOGRADOV/Truffaldino und Ales BRISCEIN/Brighella sekundiert. Alle amüsierten sich sichtlich blendend.

Neu war auch Solveig KRINGELBORN (sehr amüsant als spleenige Primadonna). Sie war eine attraktive Ariadne und setzte ihre strahlende Stimme bestens ein. Ihre Darstellung war verhalten, nicht dramatisch. Sie wurde daher besonders den lyrischen Stellen der Rolle gerecht („In den schönen Feierkleidern“ und „Es gibt ein Reich ...“). Der hühnenhafte Jon Villars – auch schon im Vorjahr als barfüßigen, goldenen Bacchus gehört - wurde in den letzten vier Vorstellungen von Janez LOTRIC ersetzt. Er sang zwar hinreißend und meisterte mit Leichtigkeit alle Höhen der mörderischen Rolle, aber seine Darstellung war weniger göttlich.

Die als Bäuerinnen gekleideten Dienerinnen bringen Ariadne das Essen und waren bestens besetzt: Ekaterina SIURINA/Najade, Svetlana LIFAR/Dryade und Sine BUNDGAARD/Echo (die ich bereits woanders als hinreißende Zerbinetta gesehen habe) sangen mit dezenter Musikalität die Trauerlieder und die Begrüßung des Bacchus. Das Hauspersonal wurde von Walter ZEH/Perückenmacher und Yuri KISSIN/Lakai (beide in Lederhosen!) sowie Mihajlo ARSENSKI / Offizier (in österreichischer Uniform!) passend ergänzt.

Trotz der allgemeinen Heiterkeit und Freude, war das Haus nicht voll. Schade! wig.