"DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN" - 21. Dezember 2005

Der russische Dichter Meyerhold hatte in seiner Zeitschrift die Komödie "L'amore delle tre meleranze" von Carlo Gozzi (geschrieben während seines Streits mit Goldoni) veröffentlicht. Prokofieff begeisterte sich für den Text, und er wollte das Libretto mit Meyerhold schreiben. Doch Prokofieffs Emigration 1918 verhinderte dies und veranlaßte ihn, in Paris den Text Französisch zu schreiben. Diese französische Version von Prokofieffs Oper wurde schließlich 1921 von der Chicago Lyric Oper uraufgeführt. Die Oper wird oft und leicht als Kinderoper oder als Spielerei des Komponisten abgefertigt. Doch die Partitur des bereits mit 30 Jahren weltberühmten Pianisten und Komponisten Prokofieff ist voll von musikalischen Einfällen und ein Feuerwerk der Orchestrierung (nicht nur der berühmte Marsch, auch die Verwendung der Baßtuben in den tiefsten Registern für den genialen Auftritt der Köchin.)

"Die Liebe zu den drei Orangen" wurde mehrmals beim Festival in Aix gespielt, aber ist selten in Paris zu sehen. Die ausgezeichnete Regie, inspiriert von der Commedia dell'arte, von Gilbert DEFLO mit den einfachen, aber einfallsreichen Bühnenbildern und Kostümen von William ORLAND strich den spielerischen Charakter hervor. In einem riesigen Zirkusrund und nur mit einigen praktikablen Rampen und Hockern, spielt sich das Geschehen ab. Die drei meterhohen Orangen kullern auf das leere Zirkusrund. Die maskierten Chören der Tragischen, Komischen und Lyrischen, feuerspeiende Gaukler und Tänzer sind auf den Seiten und im Hintergrund postiert - wie in einer griechischen Tragödie. Immer an der Grenze zwischen Commedia dell'arte, Zirkus und Oper, niemals vulgär, ging alles wie am Schnürchen über die Bühne. Dazu noch die ausgezeichnete Choreographie von Marta FERRI, alles bestens ausgeleuchtet von Joël HOURBEIGT.

Die Pariser Oper ließ sich die Aufführung etwas kosten und bot eine hervorragende Besetzung auf. José VAN DAM lieh seinen prächtigen Bariton der nicht sehr große Rolle des Tchellio. Er sang und spielte den abgerüsteten Zauberer mit großer Souveränität. Seine Gegenspielerin, die Zauberin Fata Morgana, war mit der ausgezeichneten Béatrice URIA-MONZON allerbestens besetzt. Ihre spektakulär Auftritte - in großem rotem Feuermantel - waren dank der prachtvollen Mezzo-Stimme der Sängerin ein Hochgenuß.

Lucia CIRILLO als ihre böse Sklavin Smeraldine war sehr passend. Den Luftgeist Farfarello, der in der Wüste Stürme auslöst, war mit Jean-Sébasten BOU in besten Händen. Dem Prinzen gab Charles WORKMAN als Pierrot verkleidet, mit prachtvoller Stimme und nachtwandlerischem Spiel das hypochondrische Profil. Sein Begleiter, Truffaldino ist die größte Rolle der Oper und war mit Barry BANKS besetzt, großer Spezialist russischer Musik, der hier nicht nur seinen prachtvolle Charaktertenor, sondern auch ein phänomenales Spiel zum Besten gab. Er sprang herum mit der Leichtigkeit eines Gauklers.

Guillaume ANTOINE gab mit der nötigen Hinterhältigkeit der Verräters den bösen Leander, der den Tod des Prinzen mit "extra-tragischer Prosa und martelischen Reimen in seiner Suppe" herbeiführen will. Seiner Mitverschwörerin Clarisse lieh Hannah Esther MINUTILLO ihren wunderbaren, samtenen Mezzo (in einem atemberaubenden giftgrünem Kleid, aber sie kann sich's leisten!).

Als die zwei ersten Orangen-Prinzessinen kugelten Letitia SINGLETON und Natascha CONSTANTIN aus ihren fruchtigen Gefängnissen und waren stimmlich tadellos. Die dritte, schließlich erwählte Orangen-Prinzessin Ninette sang Aleksandra ZAMOJSKA mit glockenreinem Sopran und spielte wunderschön zart.

Als der alte Treff-König war Philippe ROUILLON sehr passend, begleitet von Jean-Luc BALESTRA als Pantalone. Großen Erfolg hatte natürlich Victor von HALEM als Köchin. Sein großer Baß war natürlich für die furchterregende Rolle äußerst passend. Auf einem rollenden ca. 5 m hohen Kostüm-Gestell, auf das Truffaldino hinaufklettern mußte überreichte dieser das verführerische rote Band. David BIZIC (Herold) und Nicolas Marie (Zeremonienmeister) waren rollendeckend.

Sylvain CAMBRELING dirigierte mit Verve und Einsatz das riesige ORCHESTER und die zahlreichen CHÖRE, von Peter BURIAN wieder einmal phantastisch einstudiert.

Es geht! Man kann auch Regietheater machen, ohne die Musik zur Seite zu schieben und den Sinn der Handlung zu verunstalten. Hier wurde ganz im Gegenteil der künstlerisch Gesamteindruck unterstrichen. Ein verdienter Triumph für alle Künstler! wig.