Ronacher Wien - öffentliche Generalprobe

Es gab eine Zeit, da habe ich ebenso viele Operetten wie Opernvorstellungen besucht. Diese Liebe und Freude an der Operette ist aber geschwunden, da die Voraussetzungen für ein optimales Gelingen in diesem Genre immer schlechter geworden sind.

Die neue "Wiener Blut"-Aufführung konnte mich auch nicht wieder davon überzeugen, daß es mit der Operette bergauf geht.

Die Inszenierung von Josef KOPPLINGER war abgesehen von einigen kleinen netten Einfällen meist lieblos, kraftlos und langweilig. Dabei böte die Handlung genug Szenen mit Schwung, aber nicht einmal die ständig sich drehende Bühne brachte Bewegung, sondern führte eher zu unbeholfener Starrheit der Darsteller.

Die Bühne: das Orchester in der Mitte auf einem meist grell beleuchteten Karussell. Der szenische Raum, reduziert auf ca. 1,5 m Drehbühne, wird sehr oft auf den Zuschauerraum ausgedehnt. Dies bringt aber keine Belebung, sondern zeigt lediglich Zerrissenheit. Da sich die Hauptszenen auf engstem Raum abspielen, ergeben sich für die Sänger und Schauspieler kaum Chancen, wirkungsvoll zu agieren, und so konnte sich denn auch die Verwechslungskomödie nicht spritzig entwickeln, sondern wurde fast unglaubhaft. Dazu kam auch noch die sehr unterschiedliche Qualität der Protagonisten.

Die Damenriege, allen voran Edith LIENBACHER als die betrogene Gräfin Zedlau und Birgid STEINBERGER als Mademoiselle Cagliari, der Seitensprung, waren optimale Interpretinnen, fanden gesanglich die richtige Linie und zeigten auch darstellerisch das entsprechende Gefühl. Auch Gabriela BONE als Probiermamsell Pepi und Michala MOCK als Fiaker Milli waren rollengerecht besetzt.

Bei den männlichen Gegenspielern war der Diener Josef von Oliver RINGELHAHN derjenige, der die Rolle am besten zu gestalten wußte. Carlo HARTMANN als Premierminister war zwar bemüht, aber damit ist nicht genug.

Graf Zedlau der Herzensbrecher, Charmeur und Bonvivant alias Wolfgang SCHWANINGER war alles andere als ein solcher, und es blieb daher gänzlich unverständlich, wieso er die Damen so für sich einnehmen konnte. Hr. Schwaninger ist von Anbeginn an steif, wurde auch im Verlauf des Geschehens nicht locker, entwickelte keinen Charme, dem man hätte verfallen können. Schlußendlich kommt auch noch dazu, daß die stimmliche Seite auch nicht überzeugte, die Höhen waren unsicher (lt. Ansage mußten die Sänger nicht aussingen ), die Mittellage wenig strahlend.

Dem Stück hat man neben dem Vater der Cagliari, dem Ringelspielbesitzer Kagler, dargestellt von Heinz PETTERS, noch eine weitere Sprechrolle hinzugefügt, die des Theaterdirektors des Ronachers, in dessen Rolle Lotte LEDL schlüpfte, um dem Geschehen mehr Leben zu geben. Beide Schauspieler garantierten schon im Vorfeld Spaß und Freude, und man wurde auch nicht enttäuscht.

Die musikalische Leitung oblag Michael HOFSTETTER, und ich hatte den Eindruck, daß er mit der Position des Orchesters seine liebe Not hatte. Durchaus legitim ist ja der Wunsch auch die Sänger im Auge zu behalten, und dabei gab es Probleme. Das ORCHESTER DER VEREINIGTEN BÜHNEN spielte die Straußmelodien nicht wirklich temperamentvoll.

Mein Gesamteindruck von dieser Generalprobe war nicht überwältigend, aber ich gehe davon aus, daß die weiteren Vorstellungen an Schwung gewonnen haben, und somit ein sommerlich akzeptabler Operettenabend entstanden ist. EH