Foto: Klangbogen Wien

"LA BOHÉME" (Leoncavallo) - 6. August 2002

Nach dem positiven Erlebnis des "Don Quichotte" am 30. Juli ging es leider nicht so weiter. "La Bohème" war samt und sonders enttäuschend.

Es begann schon damit , daß die erste Szene nur an der Rampe spielte , was nicht gerade imponierend war, und dann öffnete sich der Pseudovorhang, und was sieht man? Eine Würfelbühne mit Würfelwand, bei deren Anblick ich mir dachte, nicht schon wieder! Der "Werther" im Jahre 2000 hatte nur unwesentlich anders ausgesehen, und die weiteren Verwandlungen zeigten diese "Wahlverwandtschaften" ziemlich deutlich. Aber auch kein Wunder ist doch der Regisseur Guy JOOSTEN, die gleiche Person und hat seine Vorstellungen dem Bühnenbildner Johannes LEIACKER nahe gebracht. Und was sollten die vielen Stühle, mal schwebend, mal ruhend? Was sollte das ständige Besteigen der Tische aller Beteiligten im ersten Akt? Würde man nicht mindestens Lokalverbot bekommen, wenn man plötzlich auf den Tisch steigt und eine Rede hält? Die Aufzählung von Absurditäten kann beliebig fortgesetzt werden, aber da tritt dann wieder der Fall ein, daß man der Regie viel zu viel Aufmerksamkeit schenkt.

Die Kostüme von Jorge JARA sind von einer seltenen Geschmacklosigkeit gewesen und sehr phantasielos. Wenn ich in der Kärntnerstraße die diversen Modeketten besuche, komme ich sicher zu schickeren Sachen. Ich verstehe auch nicht, daß man nicht mehr auf den Typus der Interpreten eingehen und Kostüme schaffen kann, die das Auge erfreuen. Ich habe auch eine starke Abneigung gegen Bühnenkostüme, die so aussehen, als hätten sie die Leute von nebenan getragen und verborgen sie jetzt mal gerade. Bühne ist doch Phantasie,

Bühne ist Eintauchen in eine andere Welt, und das vermisse ich sehr oft, denn Dinge schlicht ins Heutige übertragen ist für mich nicht wirklich Phantasie. Das RADIO SYMPHONIE ORCHESTER unter Marco GUIDARARINI war auch nicht so inspiriert wie bei Massenet, sondern leider ziemlich derb, aber die Buhrufe für den Dirigenten waren unangebracht, da hatte ich schon wesentlich schlechtere Interpretationen gehört, die bejubelt wurden.

Auch die Sängertruppe war nicht so, daß man zumindest hier einen echten Ausgleich hätte finden können. Wirklich schade! Werke wie dieses müssen unbedingt von einer höchst homogenen Sängerriege aufgeführt werden. Stimmen müssen gut zueinander passen und sollten echt ausgereift sein. Dennoch gab es einige recht gute Leistungen.

Katja LYTTING als Musette konnte neben ihrem kräftigen und gut geführten Mezzo auch eine gute Rollengestaltung einbringen, Juanita LASCARO als Mimi hielt da nicht ganz mit, sie übersteuerte mit der Stimme oft, und so war nicht alles ganz glaubhaft, aber doch noch erfreulich.

Mit den männlichen Interpreten hatte ich so meine liebe Not. Der Tenor Mikhail DAVIDOFF ließ mich den sonst von mir nicht sehr geschätzten Franco Bonisolli auf der Aufnahme des Werks stark vermissen. Sein Marcello kämpfte stimmlich an allen Ecken und Enden mit der Rolle. Ganz nett klang das Timbre von Vittorio VITELLI (Rodolfo), aber als Liebhaber ist er ein Eisschrank.

Schaunard von Urban MALMBERG klang sehr ungehobelt, Coline/Visconte (Paolo Luis LEDESMA) füllt mit schönem Material die kleinen Rollen recht gut aus. Anthony MEE (Gaudenzio/Durand), Adrineh SIMONIAN (Eufemia) und Steven GALLOP (Berbemuche) ergänzten das Team.

Das Fest im 2. Akt wurde mit Tänzern angereichert, man konnte teilweise schmunzeln, anderes wirkte echt peinlich.

Ich glaube nicht, daß es allzu bald eine Gelegenheit geben wird, dieses Werk zu sehen und zu hören, daher bin ich froh, daß ich die Vorstellung erleben konnte, andererseits hatte ich wesentlich höhere Erwartungen, die keine Erfüllung gefunden haben.

Eine zwingende Erkenntnis hat sich aber aus den beiden Abenden selten gespielter Opern ergeben. Bei solchen Werken, die das Publikum nicht offen annimmt, müßten bekannte Sänger, große Namen als Sympathieträger eingesetzt werden. Dann entsteht auch eine Bereitschaft, sich weiter mit den Werken zu beschäftigen, und dann ist es auch für junge Sänger leichter, sich in solchen Werken zu präsentieren. EH