"DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL" - 29. Mai 2002

Die Neuinszenierung an der Volksoper im März 2001 hat aufgrund der damaligen recht positiven Berichte meine Neugierde geweckt, zumal es schien, daß neue Wege gegangen wurden, ohne stark an den Grundfesten des Werkes selbst zu rütteln. Und so ist auch. Natürlich gibt es ganz persönliche Einwände, aber schließlich gibt es auch unterschiedliche Geschmäcker.

Das Bühnenbild von Werner HUTTERLI ist einfach zu handhaben und neutral gehalten. Der Glasturm und Palast des Bassa Selim, der Zentrum des Geschehens ist, hat meinen Geschmack nicht so getroffen hat, wie auch die Kostüme von Ingrid ERB; Die Damen in der Kleidung der endenden fünfziger Jahre (Konstanze als Audrey Hepburn gestylt), die Herren im Straßenanzug, Osmin mit Fellhose eines Gauchos aus der Pampa. Einzig und alleine Bassa Selim kam in einem attraktiven roten und extravaganten Rockensemble gut zur Geltung. Regisseur Markus IMHOOF hat sich voll und ganz auf die Beziehung Konstanze-Bassa Selim fixiert, alle anderen Figuren eigentlich stiefmütterlich behandelt, was sie blaß erscheinen ließ. Mag auch sein, daß der Zahn der Zeit mit einigen Umbesetzungen hier auch etwas dazu beigetragen hatte.

Die musikalische Seite war teilweise sehr gut, teilweise nur Durchschnitt. Wirklich homogene Aufführungen gibt es heute tatsächlich nur mehr sehr selten. Die positiven Eindrücke hinterließen Maurizio MURARO als Osmin, Nicholas MONU als Bassa Selim und Oliver RINGELHAHN als Pedrillo.

Maurizio Muraro setzt seinen herrlichen Baß gekonnt ein, zeigt Spielfreudigkeit und verbreitet Humor, ohne kitschig zu wirken. Nicholas Monu, ein Nigerianer, der in England seine Erfahrung als Schauspieler gemacht hat und ein sehr gutes Gefühl für die Rolle der großen Gefühle, Liebe und Edelmut mitbringt. Die Sprache einwandfrei, der Ausdruck differenziert und die Optik eine Freude. Somit steht eine Figur auf der Bühne, die große Sympathien weckt, die eigentlich die Frage aufwirft, was hat Belmonte, daß Konstanze ihm die Treue hält, daß sie dem Zauber des Neuen, des Fremden nicht vollends erliegt. Einen starken Hang zu ihrem Entführer zeigt sich in Blicken und Gesten, sie setzt auch keinen Widerstand gegen seine Annäherungsversuche, sie geht sogar auf ihn zu, fast elektrisiert, was befremdet.

Edith Lienbacher ist die Konstanze; stimmlich an dem Abend nicht in absoluter Topverfassung, ist sie aber ein kluge Sängerin, die Schwächen gut kompensieren kann. In den lyrischen Passagen gab es ja keine Probleme, sogar schöne Momente. Yoon Jeong SIN, die Blonde, war wortundeutlich und unharmonisch im Gesang. Wie man in einer Deutsch gesungenen Mozart-Oper so wenige Wert auf Textdeutlichkeit legen kann, ist mir leider nicht verständlich.

Pedrillo Oliver RINGELHAHN konnte besser punkten, zeigte Sicherheit auf ganzer Linie und große Spielfreudigkeit. Stephan CHAUNDRY als Belmonte verfügte eine passable Stimmführung, die Stimme selbst ist aber ohne Charakter, und seine Figur blieb blaß. Leider war auch er mit dem Text sehr oberflächlich und ungenau. Es wundert mich also nicht, daß Konstanze mit dem wesentlich ausdruckstärkeren Bassa Selim sympathisierte und kokettierte. Immerhin eine interessante Variante, wenn auch, wie gesagt ungewöhnlich.

Alfred ESCHWÉ geleitete das ORCHESTER DER VOLKSOPER WIEN sicher durch Mozarts Partitur, allerdings nicht besonders akzentuiert.

In der Oper kommt es sehr viel auf Stimmen und Gesangharmonie an. Mich verwundert es neuerdings aber immer öfter, daß gerade diesem Punkt so wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Das ist bedauerlich, es kommt auch immer seltener zu homogenen Aufführungen, und das ist schade.

Es war von der Inszenierung her ein interessanter Opernabend, gesanglich hätte er jedoch durchaus besser ausfallen können. EH