"LA FAVORITE " - 6. Mai 2003

Zwei Aufführungen einer Neuinszenierung sind für mich eigentlich immer ein Muß, außer es ist ein Werk der Moderne. Grundsätzlich habe ich es zwar lieber, wenn der zweite Abend in einer anderen Besetzung stattfindet, aber in der letzten Zeit ist man immer mehr bestrebt die „Originalbesetzungen“ abzuspulen. Nicht immer zuträglich und interessant für den Besucher.

Allerdings, mein Wunsch nach einer anderen Besetzung war nicht so gedacht, daß ein kurzfristigster Einspringer ran muß. Nur leider, so ergab es sich dennoch. Statt Giuseppe Sabatini wurde aus dem Zauberhut des Besetzungsbüros der Staatsoper kein anderer als Keith IKAIA-PURDY herausgezogen. Und das war nicht die erste Wahl für den Fernand. Herr Purdy muß immer ran, wenn einer der Stars erkrankt oder absagt.

Es ist klar, daß der Sänger dann unter besonderer Anspannung steht, auch wenn er eine Rolle im „Repertoire“ hat. Wie soll man da an eine Beurteilung rangehen, wenn das so klar ersichtlich ist. Der erste Akt lief auch dementsprechend schlecht, die Arie war sehr unsauber gesungen, und der spärliche Applaus wurde von Buhrufen übertönt. Im Zuge der Aufführung hat sich zwar die Leistung etwas stabilisiert, aber mehr als tolerante Akzeptanz kann ich dem gebotenen nicht zugestehen. Das Publikum war dann gegen Schluß schon freundlicher und gab ordentlichen Applaus, aber auch die Buhrufer blieben.

Violeta URMANA als Léonor de Guzman hatte sehr an Sicherheit gewonnen, und die stimmliche Unstabilität während der Aufführung, die ich schon besucht hatte (2. der ersten Staffel) war gänzlich weg. Die Stimme blühte in ihrer großen Arie grandios auf. Allerdings eine glühende Liebhaberin bringt sie nicht auf die Bühne, sie wirkt auch in großer Toilette etwas bieder. Hingegen in der Schlußszene im Kloster bestand sie mit Schmerz und Gebrochenheit ob der verlorenen Liebe.

Carlos ALVAREZ war wieder König Alphonse, stimmgewaltig, perfekt in der Stimmführung. Sein Ausdruck war jedoch kalt, spärlich nuanciert. Ein paar Tage zuvor sang er in Madrid ebenfalls den Roi Alfonse, und von dieser Aufführung gab es eine Radioübertragung. Da wirkte sein stimmlicher Einsatz wesentlich differenzierter, glühender… So sind von Aufführung zu Aufführung doch immer wieder Unterschiede zu beobachten. Der hörbare Unterschied lag aber nicht allein an der Tagesverfassung.

Giacomo PRESTIA sang mit kräftiger Stimme den Abt Balthazar, trat imposant auf, aber ein bißchen mehr Geschmeidigkeit hätte nicht gestört. Wie beim ersten Mal eine erfreuliche Neuerwerbung: Genia KÜHNMEIER als Inés. Eine höchst frische, natürliche Stimme, gut geführt und darstellerisch voll im Einsatz.

Auch beim zweiten Mal gefiel mir an Inszenierung (John DEW) und Bühnenbild (Thomas GRUBER) recht wenig, um nicht zu sagen , gar nichts. Die derbe Füllung der Bühne und die stets bedrohlichen Kreuze ließen keinerlei Romantik oder sonstige Stimmung aufkommen, vielleicht ist es den Sängern auch dadurch so schwer gefallen, in die Rollen zu schlüpfen und Gefühle zu zeigen. So ein Umfeld läßt keine Gefühle zu.

Das ORCHESTER unter Fabio LUISI spielte ordentlich, und man muß auch sagen, der Dirigent war sehr bemüht, den Sängern Stütze zu sein, was Herrn Purdy besonders zugute kam. EH