"TRISTAN UND ISOLDE" - 11. Juni 2003

Mit dieser Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ hat die Wiener Oper einen Bock geschossen. So eindrucksvoll die musikalische Seite war, umso lächerlicher war die szenische Darstellung.

Günther KRÄMER, sein Bühnenbildner Gisbert JÄKEL und der Kostümemacher Falk BAUER haben weder von Wagner, noch seinem Werk den blassesten Tau. Ich habe wahrlich nichts gegen „Transpositionen“ in Zeit und Raum. Aber wenn eine Regiearbeit nur schockieren will, ist es besser eine konzertante Aufführung zu machen. Das war während des Liebesduetts im 2. Akt auch de facto der Fall: Tristan und Isolde stehen in zwei Meter Abstand von einander an der Rampe und singen das Liebesduett „Oh sink‘ hernieder Nacht der Liebe“. Krämer und Co. haben den Coïtus ad distantiam erfunden!

Die sehr häßlichen, durchwegs schwarzen, Kostüme sind in jedem Laden einer Kaufgalerie zu finden. Marke tritt im Anzug mit Stehkragen auf und kriegt nach seinem Monolog einen Kreislaufkollaps. Isolde trägt ein riesiges schwarzes Abendkleid mit Schleppe, das für Tosca recht geeignet wäre. Das Schwert ist aus dem 13. Jahrhundert. Wie überhaupt quer durch den Blumengarten der Jahrhunderte gehopst wird. Im 1. Akt besteht das Bühnenbild aus einem gläsernen Bankgebäude mit einer Brücke darüber (zwischen Bankhäusern hat man das heute). Der tote Morold liegt in seiner mittelalterlichen Rüstung vorne rechts, im 2. Akt stechen aus der Rüstung Flammen dreier Bunsenbrenner heraus; das ist die „Leuchte“, die Brangäne mit ihrem Kleid löscht (weshalb dreht sie nicht einfach den Gashahn ab? Auf einen Blödsinn mehr kommt’s auch nicht mehr an!).

Im 3. Akt sitzt Tristan an einem Tisch und sackt am Schluß seiner großen Szene zusammen, worauf sich dann Isolde dazu setzt, um den Liebestod zu singen. Eine der absurdesten Ideen ist wohl, Melot zu Beginn des 2. Akts radschlagend auftreten zu lassen, der dann mit der ungeduldig wartenden Isolde zu schäkern beginnt! Ein weiterer Geniestreich findet sich im 1. Akt, wo zwei Kristallgläser (aus der Gründerzeit) auf dem Tisch stehen. Im entscheidenden Augenblick wirft sich Brangäne auf eines der Gläser und es um. Eine einzige Katastrophe!

Es ist immer weniger verständlich, weshalb sich Dirigenten und Sänger solchen Humbug gefallen lassen. Das selbe Team hat ja bereits mehrmals gewütet, die vorjährige „Ariadne auf Naxos“ in Lyon und Paris war ja auch schon eine solche Zumutung.

Christian THIELEMANN dirigierte eine ungewöhnlich dichte Aufführung. Bereits das Vorspiel war von unglaublicher Intensität, die Steigerung war ein „Rasen und Drängen“, wie man es schon lange nicht erlebt hat. Und er hielt diese Spannung fünf Stunden lang durch! Hinreißend! Es besteht kein Zweifel, Thielemann ist der Wagner-Dirigent der nächsten Jahre.

Er hatte als Titelhelden Deborah VOIGT als Isolde und Thomas MOSER als Tristan. Besonders Voigt stellte eine intensive, stimmlich und darstellerisch dominierende Isolde auf die Bühne, von einem strahlenden Liebestod gekrönt. Bei Moser ist nicht sicher, ob er diese mörderische Rolle singen soll. Sicher nicht zu oft. Er sang und spielte zwar am Ende den halluzinierenden Tristan mit großer Kraft, aber er war wirklich am Ende.

Eine sehr ansprechende Brangäne stellte Petra LANG dar, stimmlich völlig überzeugend. Um mit Tristan und Kurwenal ins Gespräch zu kommen, muß sie aber im schwarzem Abendkleid auf einer Notleiter zur Brücke turnen (sie kommt nicht sehr weit!). Sehr zufriedenstellend war Peter WEBER als burschikoser Kurwenal.

Robert HOLL war ein weiser, aber zerbrechlicher König Marke, der mit prachtvoller Stimme seinen Monolog sang, bevor er umklappte. Markus NIEMINEN als Melot hat zwar nicht viel zu singen, aber ist ein guter Turner. Michael ROIDER sang sehr schön und subtil den Hirten, John DICKIE den jungen Seemann und Iu SANG SIM den Steuermann.

Das befremdete Publikum hielt sich an die Musik und feierte Thielemann und die Sänger stürmisch. wig.