SUCHT DURCH FRUST

Nachdem ich bislang keine Aufführung von „La Favorite“ hören konnte, die mir ein rundum Erlebnis geboten hätte, war oder bin ich noch immer auf der Hörsuche. In dieser besuchten Vorstellung war der Wunschtraum schon ziemlich nahe gerückt, wobei meine Suche hauptsächlich dadurch bedingt war, daß die französische Version den Sängern Schwierigkeiten im Ausdruck bereitet, obwohl es die „Originalversion“ ist.

Wie auch bei der Premiere und vielen weiteren Vorstellungen war Carlos ALVAREZ der König Alphonse. Er hat in den zwei Jahren seit der Premiere sehr viel an der Rolle vertieft und ist mit ihr gewachsen und eins geworden. Neben einem intensiven Ausdruck kam noch eine großartige stimmliche Abendverfassung. Zur Zeit kann ich mir keinen besseren Interpreten vorstellen.

Auch die junge Genia KÜHMEIER als Inés aus der Premierenstaffel konnte neuerlich unter Beweis stellen, daß ihre schöne Stimme gut eingesetzt und die kleine Rolle mit Liebe gestaltet ist.

Neu ist José BROS als Fernand. Stimmlich am Beginn nicht in ganz Topform, aber der Sänger schaffte es nach kurzer Zeit, den Stimmklang und die Gesangsqualität auf eine Toplinie zu bringen. Was mich sehr erfreute und begeisterte, war der Umgang mit dem französischen Text und die Linie, die er dabei gefunden hat. Zum ersten Mal ein Sänger, der verständlich und natürlich mit der Sprache arbeitete und somit eine viel harmonischere Klangfarbe erreichte. Seine Darstellung war adäquat gezeichnet, nicht übertrieben.

Nadia KRASTEVA sang die Leonor mit warmen Mezzo, der allerdings in der Mittellage nicht sehr tragkräftig klingt. In den ersten beiden Akten war die Darstellung und der Ausdruck ansprechend, im letzten Akt aber wurde in der Sterbeszene zu dick aufgetragen. Manchmal ist weniger mehr.

Dan Paul DIMITRESCU war ein sehr solider Abt Balthazar. Benedikt KÖBEL als Gaspar hingegen kämpfte in der kleinen Rolle ziemlich mit Höhenproblemen.

Dirigiert wurde von Vieskoslav SUTEJ sehr zügig, teilweise sehr kräftig. Leider. Es gingen dadurch Feinheiten verloren, und die Sänger mußten mehr Kraft investieren, als eigentlich notwendig gewesen wäre.

Der Applaus für die Sänger war sehr freundlich und ausgiebig. EH