„Stiffelio“ - 21. November 2004

Die Besetzung versprach eine interessante Vorstellung, und der Tenor José CURA, der in Wien zum ersten Mal in dieser Rolle auftrat, hielt dieses Versprechen tatsächlich ein.

Stiffelio wird ja nicht sehr oft gespielt, und es gibt auch wenige Interpretationsvergleiche, aber wenn man sich mit dem Charakter der Rolle beschäftigt, neigt man natürlich dazu, dem Priester Sanftmut, Toleranz und Edelmut als Basiseigenschaften zuzuschreiben. Daß er aber auch eifersüchtig ist, und dies auch zeigen kann, schon seltener. Nun, José Cura ist schon vom Stimmcharakter kein sanftmütiger Stiffelio, und so ist seine Darstellung verschiedentlich etwas vordergründiger, was aber nicht negativ war. Seine stimmliche Gestaltung hat mich angesprochen, zumal er sehr wohl auch innig und gefühlvoll singen kann.

Seine Gemahlin Lina wurde von der Asiatin Hui HE gesungen. Eine prachtvolle, sehr gut ausgebildete Stimme präsentierte sich dem Zuhörer. Der sehr intensive Gesang begeisterte das Publikum. Für mich eine weitere neue Stimme im Ensemble: Johannes WIEDECKE als Jorg, ein kräftiger sonorer Baß, der die kleine Rolle gut ausfüllte.

Alle anderen Sänger blieben abgeschlagen. Renato BRUSON als Stankar wurde zwar sensationell gefeiert, aber abgesehen von einer adäquaten Darstellung konnte ich wahrlich nichts Sensationelles feststellen. Die stimmliche Darstellung und Präsenz war in keinem Moment zufrieden stellend. Der Sänger ist 68 und somit in einem Alter, wo ein Abgang in Würden nicht unüblich wäre. Großartige Leistungen der Vergangenheit kann man nicht wegleugnen, aber mit der Erinnerung die Gegenwart verklären ist wohl nicht objektiv.

Der Raffaelo von Cosmin IFRIM war an diesem Abend leider auch schwach, entweder die Rolle war nicht entsprechend vorbereitet, oder es war ein gravierende Indisposition, die man nicht ansagen ließ.

Am Dirigentenpult stand Marco ARMILIATO, der sich sehr um das ORCHESTER bemüht hat und auch den Sänger große Hilfestellung leistete. Wäre er nicht gewesen, wäre der Aufführung sicher nicht die solide Basis beschieden gewesen.

Orkanartiger Applaus für Lina, Stiffelio (berechtigterweise) und Stankar, der aber rasch zu Ende ging. „Stiffelio“ ist keine Oper, die eine große Anziehungskraft ausübt, und daher herrscht auch mangelhafte Kenntnis. EH