"ROMÈO ET JULIETTE" - 27. Juni 2004

Musikalisch war dies wohl ein guter Abend, es hätte eigentlich sogar ein wirklich genußvoller Abend sein können, wäre da nicht der Störfaktor Inszenierung gewesen. Jürgen FLIMMs Werk ist ja sehr gelobt worden und wird es noch immer, nur ich kann mich diesem Urteil nicht anschließen. Es ist hier für mich ein seltsames Kunterbunt auf der Bühne, es gibt einen Bewegungsregisseur namens Renato ZANELLA, der die Darsteller sich entweder nicht oder seltsam bewegen läßt, aber es wird nichts schlüssig. Einzig die von stets bewegten Beleuchtungstürmen kommenden Lichteffekte versöhnen teilweise.

Ich habe nicht verstehen können, daß die beiden jungen Leute in dem kahlen und absolut kalten Umfeld zueinander finden konnten, in glühender Liebe aufgehen und sogar sterben wollen, nur um sich nicht trennen zu müssen. Gut, ein verschnörkelter Balkon, Gewänder im Samt und Seide und Pomp, das ist nicht mehr zeitgemäß und auch nicht erforderlich. Aber eine gewisse Atmosphäre sollte es schon geben, die die diese Liebe und die Entwicklung glaubhaft macht. Ein projizierter Sternenhimmel allein schafft das nicht, auch wenn es hübsch aussieht.

Es ist auch viel, was man den Sängern zumutet. Roméo muß zwei Akte mit einer samtenen Jacke über seiner „normalen“ Kleidung herumlaufen, was mehr als schweißtreibend was, die arme Julia hingegen in einem Nachthemd ähnlichen, schulterfreien Kleid agieren, d.h. sie durfte frösteln. Und quietschende Schuhe braucht man schon gar nicht. Das stört nämlich akustisch.

Sehr erfreulich waren zwei Begegnungen an diesem Abend. Zum einen der Roméo von Marcelo ALVAREZ. Sein Tenor präsentierte sich strahlend, sehr ausgeglichen und gut geführt. Sehr kräftig und sicher die Höhen. Seine Rollengestaltung schien mir etwas unbeholfen, und er konnte auch nicht mit Unterstützung rechnen. Weder von den Partnern noch gab es Requisiten, die Atmosphäre schaffen können. Zu anderem Elena GARANCA als Stéphano: Ein herrlich warmer, samtiger Mezzo mit ausreichend Kraft ausgestattet. Die kurze Szene war ein echter Genuß, und da freut man sich schon wieder auf einen nächste Begegnung.

Mit der Juliette von Andrea ROST war ich nicht mehr so glücklich. Wir hören zwar eine durchaus sichere Stimme, aber nicht mehr mit lieblichem Schmelz, sondern leider mit vielen Schärfen (als ich nun die Radioübertragung vom gleichen Termin hörte, verstärkte sich dieser Eindruck noch mehr ). Auch sie war in der Rollengestaltung nicht ganz gefestigt, und das Zusammenspiel wirkte steif, paßte nicht in den Rahmen. Ein neues Team sollte mehr Möglichkeiten zu Proben haben.

Die anderen Rollen, Mercutio Marcus NIEMINEN, Capulet Wolfgang BANKL, Tybalt Michael ROIDER und die Amme Mihaela UNGUREANU, waren alle gut besetzt und stimmlich ausgeglichen, aber kamen nicht an die der Premierenbesetzung heran, hier hatten vor allem Mercutio und Capulet mehr Kraft und besseren Ausdruck.

Im Orchestergraben stand wieder Marcello VIOTTI den PHILHARMONIKERN vor und setzte einige liebevolle Akzente, vornehmlich bei den Zwischenspielen kamen schöne Klanglinien zum Blühen, aber für die Sänger gab es keinen Klangteppich.

Das Sängerteam wurde bejubelt, und es gab nach längerer Zeit wieder einmal einen lange anhaltenden Applaus. EH