An der Staatsoper Wien oder an der Scala di Milano?

An diesem Abend war ich mir nicht ganz sicher, ob ich mich tatsächlich in Wien und an der Staatsoper befand. Ricardo MUTI, der Mailand den Rücken gekehrt hatte, sorgte für einen italienischen Pilgerstrom nach Wien und für gute Stimmung im Haus. Jedenfalls wurde sehr niveauvoll das Mozartjahr 2006 eingeleitet. Der Abend hat auch weit über dem Niveau gelegen, das sich so zuletzt im Haus präsentiert hatte. Das hatte natürlich zweifellos damit zu tun, daß es für diese Aufführungsserie unter Muti ausreichend Proben gab.

Besonders fiel mir das bei Ludovic TEZIER, dem Grafen der Vorstellung, auf, den ich ja bereits anläßlich seines Wien-Debüts hören konnte, der aber erst an diesem Abend seinem guten Ruf gerecht wurde, einen guten Ausdruck lieferte, die Stimme kraftvoll einsetzte und souverän agierte.

Nicht ganz so glücklich war ich in der ersten Szene mit Carlos ALVAREZ als Figaro. Da gab es für mich Anzeichen einer Indisposition, es pendelte sich aber doch alles ein, sein unverwechselbares Timbre kam wieder zum Leuchten, und er war ein sehr quirliger und listiger Kammerdiener. Seine Susanna Tatjana LISNIC war ebenfalls sehr spielfreudig und konnte auch mit einer sehr guten gesanglichen Linie aufwarten.

Ihre Herrin Barbara FRITTOLI war nach langer Zeit wieder einmal eine Gräfin, die optisch, darstellerisch und auch von der stimmlichen Seite her der Rolle entsprochen hat. Sanft, aber nicht apathisch, kämpferisch aber mit Stil, immer auf der richtigen Linie. Angelika KIRSCHLAGER war abermals Cherubino, eine Rolle, die die Sängerin mit viel Energie und großer Liebe zum Detail gestaltet, und die ihr auch stimmlich bestens liegt.

In den Nebenrollen waren als Basilio Michael ROIDER, als Bartolo Ain ANGER, als Marzelline Stella GREGORIAN, als Don Curzio Peter JELOSITS, und als Barberina Ileana TONCA zu hören; alle voll Spielfreude und mit gutem Einsatz der stimmlichen Mittel.

Es war ein klanglich sehr harmonischer Abend, die Sänger, Bühne und Orchester waren perfekt aufeinander abgestimmt. Ricardo MUTI dirigierte lebendig, manchmal ein bißchen ruhiger (Gräfin-Arie), aber bestimmt und erreichte so ein optimales Klangbild.. Ein Abend der sich gelohnt hatte, nicht nur für die angereisten italienischen Gäste. EH