„SOPHIE'S CHOICE “ - 26. Oktober 2005

Österreichische Erstaufführung der 2002 in London uraufgeführten Oper von John Maw

Dreieinhalb Stunden war das Publikum mit einer Geschichte konfrontiert, die sich mit Vergangenheitsbewältigung beschäftigt. Dreieinhalb Stunden gab es eine musikalische Berieselung, eine Musik, die keine fünf Minuten in Erinnerung bleibt. Schade, ich bin mit höchsten Erwartungen in den Abend gegangen, aber meine Erwartungen sind nur in bescheidenem Maße erfüllt worden.

Von den dreieinhalb Stunden plätscherten die ersten zwei dahin, es war der sanfte Teil der Geschichte Sophies der in Rückblendungen erzählt wird. An Dramatik gewinnt das Ganze, als die KZ-Gepflogenheiten zur naturalistischen Darstellung gelangten, als Sophie eine Vergewaltigung über sich ergehen lassen mußte, und unter schweren Gewissenskonflikt in der Entscheidung, welches der beiden Kinder sie opfern soll, um zumindest eines zu retten, schmerzlich erkennen muß, daß es auch für den Sohn keine Rettung gab.

Das Libretto wurde von dem Komponisten verfaßt und ist eben so wie die Musik nicht gerade übermäßig beeindruckend. Der Beginn des Stückes geht auf das Jahr 1947 in Amerika zurück und die Vergangenheit wird in Rückblenden dargestellt. Sophie erzählt dem schriftstellernden Freund Stingo, der Sophie liebt, Erlebnisse, ja, grauenhafte Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit. Das Thema ist stark, aber was daraus gemacht würde leider nicht. Wenn mehr gestrafft worden wäre, hätte das Ganze an Dynamik gewonnen, und der Zuhörer/Zuschauer wäre in einen Sog der Faszination geraten, so war man über weite Strecken eher gelangweilt.

Sicher positiv zu bewerten ist die Qualität der Aufführung. Angelika KIRCHSCHLAGER bringt eine sehr gute Leistung, gesanglich, darstellerisch und körperlich, denn die Sängerin steht nahezu die ganze Aufführungsdauer auf der Bühne. In dieser Uraufführung hat sie Maßstäbe gesetzt.

Auch alle anderen Interpreten (Morten Frank LARSEN als ihr problematischer, schizophrener jüdischer Geliebter Nathan, der junge Autor Stingo Matthias KLINK, der stellenweise schöne Stimme hören läßt, der Erzähler Lenus CARLSON von gediegener Präsenz), waren großartige Partner.

Die Vergangenheit in Polen und im KZ wurde ebenfalls sehr intensiv dargestellt. Wicus SLABBERT als Sophies Vater war sehr erschreckend in seinen antisemitischen Ansichten, Kurt SCHREIBMAYER wurde als KZ-Kommandant Höß, mit höchst exponierten Tonfolgen geplagt, was auch nicht immer alles gut gelang und klang. Auch der Doktor, Markus BRÜCK, war eine beeindruckend bedrückende Gestalt. Interessant Melba RAMOS als Jungendfreundin Wanda.

Die Inszenierung von Markus BOTHE war sehr um die Personenführung bemüht, und das machte sich auch positiv in den Figuren bemerkbar. Das Bühnenbild von Robert SCHWEER hätte etwas besser auf die diffizile Geschichte eingehen können, es war zu neutral, aber funktionell, die Kostüme von Dorothea KRATZER recht ordentlich.

Leopold Hager erwies sich als ein sehr umsichtiger Leiter des höchst bemühten VOLKSOPERNORCHESTERS.

Das Publikum reagierte zögerlich auf das Werk, feierte aber dann die Künstler verdientermaßen sehr ausgiebig.

Meiner Meinung nach wird sich das Werk nicht wirklich etablieren, vor allem wird es sehr schwierig sein, Künstler zu finden, die sich der Mühe unterziehen werden, diese Musik und Rollen zu lernen. EH