"DER EVANGELIMANN" - 9. April 2006

Die Volksoper hat es sich ja zum Ziel gesetzt, Werke auf den Spielplan zu bringen, die lange Zeit in Vergessenheit geraten waren. So kam als letzte Opernpremiere der Saison der "Evangelimann" auf das Programm. Das Werk hatte, als es 1895 uraufgeführt wurde, einen großen Erfolg. Die rührselige Geschichte eines zu Unrecht Verurteilten, Verleumdeten, der zum Schluß dem Verursacher seines persönliches Unglück, seinem Bruder verzeiht, lebt von zwei Melodien, dem Wunschkonzert Dauerbrenner "Selig sind, die Verfolgung leiden" und der Arie "Oh selige Jugendtage" der Magdalena. Dazwischen plätschert es so dahin. Die Geschichte ist ein Rührstück und könnte im Aufbau von Rosamunde Pilcher stammen.

Die Inszenierung von Ernst KÖPPLINGER versucht zwar, sich davon zu entfernen und möglichst realistisch zu sein, aber es kann nicht ganz gelingen. Eine Restsüße bleibt. Die gesangliche Seite war hingegen qualitativ sehr gut, wenn auch nicht alle Stimmen meinem Ohr schmeichelten.

Der Evangelimann/Mathias wurde von einem geübten Wagnertenor, Jürgen MÜLLER, gesungen, es fehlt ihm nicht Kraft, aber Schmelz (viele seiner Vorgänger in dieser Rolle an der Volksoper besaßen das im Übermaß: Anton Dermota, Julius Patzak, Rudolf Schock und in ganz frühen Jahren auch Richard Tauber). Seinen bösen Bruder gab Wolfgang KOCH; expressiv, aber auch nicht besonders schönstimmig.

Dagegen waren die Damen unbedingt auf der Habenseite. Alexandra REINPRECHT war eine sehr angenehme Martha, die auch in der Gestaltung die richtige Linie, aber nicht ihr Glück fand. Aber die absolute Topleistung kam von der Staatsopernleihgabe Janina BAECHLE: Ihr sehr schöner Mezzo gab der Rolle der Magdalena edlen Glanz. Die Gestaltung war durch höchste Natürlichkeit geprägt.

Als Oheim setzte Walter FINK seinen profunden Baß sehr prägnant ein .Durch seine Starrköpfigkeit löst er die ganze Katastrophe aus, bringt die Liebenden auseinander, was Martha in den Tod treibt, und den bösen Bruder aus Eifersucht zum Brandstifter werden läßt.

Am Pult sorgte Alfred ESCHWÉ für ausgewogene Leistung aus dem Orchestergraben.

Ich fand es durchaus interessant das Werk einmal auf der Bühne zu sehen. In den früheren Jahren, als es auf dem Programm stand, war mein Interesse an solchen Werken noch nicht sehr ausgeprägt. Allerdings mußte ich jetzt feststellen, daß es nicht zu einem Lieblingswerk mutieren wird. Der erste Akt ist eher langatmig, und erst im zweiten Akt sind die "Ohrwürmer" plaziert und entschädigen dann für die lange Wartezeit. Nur eben für die Superarie "Selig sind, die Verfolgung leiden" mit dem Kinderchor sind Maßstäbe gesetzt worden, bzw. Vorstellungen vorhanden, die erst mal erfüllt werden müssen.

Das Publikum spendete durchaus freundlichen Beifall, in ganz besonderem Maße für Janina Baechle und verließ das Haus nicht unzufrieden. EH