"JENUFA" - 13. Mai 2006

Weshalb berührt David POUNTNEYs Inszenierung dieser Janácek-Oper eigentlich so sehr? Vermutlich, weil sie so ganz ohne überflüssigen Schnickschnack auskommt, der Geschichte eine Hülle ist und so Musik wie Sängern Raum zum Atmen läßt.

Jenufa war in der Interpretation von Ricarda MERBETH anders als man es gewohnt ist, weniger das ätherische, nymphenhafte Wesen, das Stewa und Laca aufgrund ihres Andersseins fasziniert, sondern wesentlich bodenständiger. Man sah ein fröhliches Mädchen, das voll in die Dorfgemeinschaft integriert ist, aber letztlich an Stewas Zurückweisung und dem Tod ihres Kindes zerbricht.

Ricarda Merbeth besitzt eine warme, große Stimme mit sehr schönen dunklen Schattierungen. Dank ihrer Kraft war sie der Partie und den Orchesterwogen voll gewachsen. Viel an ihrem Gehabe, ihren Gesten sowie ihrer Haltung (besonders im 2. und 3. Akt) zeigte, daß Jenufa die (Zieh-) Tochter der Küsterin ist. Die Zukunft Jenufas blieb am Ende offen, was wesentlich musikkonformer und realistischer wirkte.

Jorma SILVASTI kam dieser Interpretation mit seinem Laca sehr entgegen. Die Figur wirkte im 1. Akt ausgelassener, aber auch derber, später wesentlich hilfloser dem Geschehen gegenüber, als in der Premierenserie.

Die Schönheit von Silvastis Stimme erschließt sich einem vielleicht nicht sofort, doch wenn man sie erkannt hat, entdeckt der Zuhörer eine Vielzahl wunderschöner Feinheiten in der musikalischen Gestaltung und eine beneidenswerte Musikalität, wie sie im heutigen, schnellebigen Geschäft selten geworden ist.

Wirkliche Konkurrenz kam durch den Stewa von John DICKIE nicht auf. Zu oft hatte er mit der stimmlichen Bewältigung der Partie zu kämpfen, und zu häufig wanderte sein Blick zum Dirigenten. In den hohen Lagen seiner Stimme kam es zum Stemmen der Töne. Ansonsten lieferte er eine solide, aber wenig aufregende Arbeit ab. Bedauerlich war, daß sich Stewa hier zu wenig forsch und draufgängerisch präsentierte - im 2. Akt wirkte er gar wie ein pensionierter Postbeamter - doch er angenehmer als andere in dieser Partie in Wien.

Wieder bühnenbeherrschend zeigte sich Agnes BALTSA. Ihre Küsterin ist härter und unnahbarer geworden. Alles für Jenufas guten Ruf und deren Zukunft zu tun, bedeutet hier, mehr denn je die eigene Schande nicht durch eine neue wieder in Erinnerung zu bringen. Die Szene, in der der Entschluß zur Tötung von Jenufas Kind fällt, war berührend und beängstigend zugleich, "Ich selbst tat es." ein großartiger Augenblick in Darstellung und Gesang. Wien hat hier das Glück einer Ausnahmekünstlerin, die eine Ausnahmepartie in Vollendung auf die Bühne bringt.

Ihr ebenbürtig war Janina BAECHLE als alte Buryja. Man mußte schon zweimal hinschauen, um sie zu erkennen, was nicht nur an Kostüm und Maske lag, sondern auch am lebensechten Spiel. Ihre angenehm lebendige Stimme und das interessant nuancierte Timbre trugen ebenso zur rundum gelungenen Interpretation bei.

Aus dem Ensemble ragten Olesya GOLOVNEVA (Jana) mit einer Leistung, die ein zweites Hinhören wert war, sowie Johannes WIEDECKE als Dorfrichter mit einer entwicklungsfähigen Stimme heraus.

Alfred SRAMEKs Gesang war auch beim Altgesell wie immer so laut wie undifferenziert. Auch die anderen kamen nicht über das erwartete Niveau hinaus.

Der CHOR (Einstudierung: Ernst DUNSHIRN) leistete sich im 1. Akt einen heftigeren Patzer und war mit der Choreographie (Renato ZANELLA) a la tanzende Dorfjungend sichtbar überfordert. Die Damen machten im 3. Akt dann einen wesentlich besseren Eindruck.

Graeme JENKINS leitete den Abend souverän. Ein bißchen mehr Schwelgen in Janáceks Musik wäre allerdings schön gewesen. Das ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER hinterließ den bis dato für mich besten Eindruck. AHS