DIE GEFALLENEN PALMEN VON PALERMO

Getreu dem Motto „Man gönnt sich ja sonst nichts“ habe ich mich für ein recht „freudiges Ereignis“ mit drei guten bis hervorragenden Aufführungen belohnt: die erste war die Neuproduktion von Verdis m.E. viel zu selten gespielter Oper „I Vespri Siciliani“ im Zürcher Opernhaus (die anderen waren ein „Holländer“ und eine „Italiana in Algeri“ in Wien, aber dazu in weiteren Rezensionen näheres).

Diese Oper Verdis stammt aus seinen reiferen Jahren und wurde zwischen „Traviata“ und „Simon Boccanegra“ geschrieben. Es geht um den Konflikt zwischen den Franzosen und Sizilianern im 13. Jahrhundert, in dem sich natürlich eine Liebesgeschichte abspielt, die zwischen die Fronten gerät – wie sollte es anders sein... Gegeben wurde die italienische Version ohne Ballett (schade...).

Auf dem Besetzungszettel steht zwar, neben „Inszenierung“ der Name Cesare LIEVI, aber ich habe keine Inszenierung entdecken können. Es wurde größtenteils in der Gegend herumgestanden und mal herumgelaufen. Der Regisseur sah als Hauptmotiv den Konflikt der beiden Parteien und blendete alles andere irgendwie aus, woraus dann halt eine gewisse gähnende Langeweile resultierte. Personenführung? Fehlanzeige!

Ein wenig progressiv, aber nur ganz kurz, wirkte das Einheitsbühnenbild von Maurizio BALÒ, das aus granitartigen Felsblockwänden besteht und im 5. Akt von zwei zu Boden gestürzten Palmen ergänzt wird (das soll doch wohl nicht etwa ein Symbol sein????), was bedeutet, daß zumindest in der Umbaupause etwas passiert sein muß... Balò entwarf auch die passenden Kostüme, bei denen das von Procida nahe legte, daß er im Exil einen hervorragenden Herrenausstatter gefunden haben muß, der ihm den schnieken Anzug und das ebensolche weiße Hemd auf den Leib schneiderte – die Stiefel wollten und wollten einfach nicht zu dem Outfit passen.

Glücklicherweise gab es sängerisch eigentlich nur Erfreuliches zu berichten. Zwar werde ich niemals ein Fan von Leo NUCCI werden, da ich mit seiner Stimme so überhaupt nicht zurechtkomme, dennoch lieferte er ein differenziertes Portrait des Guido di Monforte, das mich aber nicht berührte. Auch darstellerisch hat er mich nicht überzeugt.

Es gibt wohl kaum eine Partie in der Opernliteratur, in der derartig oft das Wort „Patria“ gesungen wird wie in der des Procida. Diese gestaltete Ruggero RAIMONDI mit seiner bekannt großen Intensität und flexiblem Gesang aus. Seine Mimik und Ausdruckskraft sind wohl mittlerweile schon legendär geworden... Eine großartige Leistung!

Marcello GIORDANO sang die wahnsinnig schwere Partie des Arrigo mit sehr solidem Tenor, der auch in der Vollhöhe niemals gefährdet schien. Ich vermißte aber die Rollen-Identifikation, nur frage ich mich, wer denn sonst solche Rollen singen soll, wenn nicht er, der sich auf das abseitige und zumeist schwere Repertoire spezialisiert.

Seine Elena lag bei Paoletta MARROCU in guten Händen. Sie verfügt über eine nicht unbedingt schöne, aber doch hochgradig temperamentvolle, ausdrucksstarke Stimme, eine stupende Höhe und technische Brillanz, was sich insbesondere in ihrer Auftrittsarie zeigte. Ich denke allerdings, daß sie solche Rollen noch nicht so oft singen sollte, weil diese gerade junge Stimmen ruinieren können, was sehr, sehr schade wäre. Da sie ja auch die einzige Rollendebütantin war (abgesehen von den Wurzen), ist auch zu vermuten, daß sie sich noch steigern wird.

Die Nebenrollen wurden von Reinhard MAYR (Bethune), Günther GROISSBRÖCK (Vaudemont) Katja STARKE (Ninetta), Andreas WINKLER (Danieli), Miroslav CHRISTOFF (Tebaldo), Valeriy MURGA (Roberto) und Mauricio O’REILLY (Manfredo) solide gesungen.

Carlo RIZZI hielt Bühne und ORCHESTER des Opernhauses Zürich über weite Strecken zusammen, ließ aber das Brio vermissen, so daß der Abend ein wenig dahinplätscherte. Ein großes Lob hingegen gilt dem superb und in höchstem Maße homogen und schön (!) klingendem und singendem CHOR unter Ernst RAFFELSBERGER. WFS