„DER FLIEGENDE HOLLÄNDER“ - 4. Dezember 2004

Die mit Spannung erwartete Premiere des „Fliegenden Holländer“ unter Christoph VON DOHNÁNYI und in der Regie von David POUNTNEY erzielte nur mäßige Begeisterung. Das Inszenierungs-Team wurde gar ausgebuht, ohne daß sich Gegenstimmen geregt hätten!

David Pountney zog die beiden Künstlerinnen Jane und Louise WILSON bei, die sich mit ihren Video-Installationen international einen bedeutenden Namen gemacht haben, für die jedoch der „Fliegende Holländer“ in Zürich ihre erste Opernarbeit war. Für das Bühnenbild und die Kostüme zeichnete Robert Innes HOPKINS verantwortlich.

Auf der Bühne zeigt sich ein großer Kubus, der oben mit einer Art Kommandobrücke versehen ist. Wieder einmal hat sich das Leading-Team allerdings nicht überlegt, daß solche Bühnenbauten für Zuschauer im 2. Rang nicht geeignet sind, da man z.T. nur kopflose Menschen zu sehen bekommt. Auch war von meinem Platz bisweilen nicht auszumachen, was genau die Videoprojektionen aufzeigten.

Gemäß Programmheft zeigt die für die Zürcher Inszenierung adaptierte Video-Installation „Star City“ Aufnahmen aus einem ehemaligen sowjetischen Raumfahrtzentrum. Die beiden Künstlerinnen zeigen ein in Auflösung begriffenes Vorzeige-Objekt der sowjetischen Raumfahrt. Verlassene Büros schienen für Pountney die richtige Atmosphäre für die Verlassenheit und Trostlosigkeit des „Holländers“ zu verkörpern… Für mich ging das Konzept jedoch nicht auf – wohl nicht nur, weil ich nicht alle Bilder entschlüsseln konnte. Ich konnte in Pountneys Arbeit keine Deutung, keine Personenführung (die sonst seine Stärke ist), keinen Sinn finden. Am Schluß stand mir ein großes Fragezeichen ins Gesicht geschrieben… und nicht nur mir. Sicher eine der schlechtesten Pountney-Inszenierungen, die ich bisher gesehen habe!

Musikalisch wurde das Ganze hingegen den Ansprüchen weitest gehend gerecht, wenn es auch nicht überwältigend war. Mit von Dohnányi habe ich persönlich stets Mühe; ich empfinde seine Deutungen zwar als interessant, das ORCHESTER spielt (meist) gut; allerdings ist mir der Lautstärkepegel vielfach zu hoch und vor allen Dingen berührt mich die Interpretation nie, sie ist für mich zu steril, zu analytisch, zu kalt. Dies war auch an diesem Abend so. Einige Wackler (in der Ouvertüre musste man schon befürchten, daß das Ganze auseinander fallen würde) im sonst sehr schön spielenden Orchester werden in den nächsten Vorstellungen sicherlich wegfallen, dennoch gäbe es da noch einiges zu verfeinern.

Eglis SILINS in der Titelpartie sang seinen Part ohne jegliche Mühe, allerdings besaß er für mich in keiner seiner bisherigen Rollen genügend Charisma und Ausstrahlung. Er wirkt auf mich fad und langweilig. Wie irgendjemand vor diesem Holländer Angst haben oder ihn gespenstisch finden soll, ist mir schleierhaft. Verlieben könnte ich mich auch nicht in ihn, aber da sind ja erwiesenermassen die Geschmäcker verschieden. Daß er darstellerisch blaß wirkte, lag nicht nur an der Inszenierung. Seine gut geführte Baritonstimme, seine gute Diktion, schöne Tiefe und auch meist leicht erreichte Höhe vermögen jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, daß seine Stimme nicht über eine übermässig reiche Palette an Farben verfügt.

Eva JOHANSSON bekam – für mich unberechtigte – Buhs. Sicherlich ist ihre Stimme Geschmackssache und für mein Empfinden bisweilen sehr schrill. Auch ihre Darstellung der Senta als burschikosen Teenager fand ich fragwürdig. Allerdings hat auch sie ihre Partie mehr als nur anständig zu Ende gesungen und keinerlei Mühe bekundet. Daß sie bisweilen auf die Stimme drücken musste, lag vorwiegend am Dirigat, das durch seine zeitweilige Mächtigkeit den Sängern das Letzte abverlangte.

Matti SALMINEN als Daland vermochte mich nicht so zu überzeugen wie sonst; und ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, daß er sich in der Produktion nicht vollends glücklich fühlte. Aber Salminen ist trotz allem ein Garant für eine saubere, eindrückliche sängerische Leistung.

Die kleineren Rollen (Christoph STREHL als Steuermann, Rudolf SCHASCHING als Erik – der seiner Rolle als einziger wirklich Konturen zu geben vermochte – und Irène FRIEDLI als Mary) entsprachen dem gewohnt guten Standard, den das Zürcher Opernhaus in den Premieren bei der Besetzung der Nebenrollen aufweist, auch wenn Christoph Strehl mit seinem lyrischen Tenor hier etwas über seine Grenzen hinaus gehen mußte.

Pountney hat sich in meinen Augen zu sehr auf die Video-Projektionen konzentriert oder auf deren Wirkung verlassen. Daneben ging die Personenführung und -deutung fast vollständig verloren. Das ewige Verschieben der Kubuswände ging mit der Zeit auf die Nerven. Die minutenlangen Großaufnahmen von Silins waren am Anfang interessant, versprühten dann aber auch nur Langweile, denn viel Ausdruck konnte darin nicht ausgemacht werden (was durchaus von Pountney gewollt sein konnte).

Die Begegnungsszene Holländer/Senta wird verscherzt. Hier ist einzig die Videoprojektion der beiden Gesichter, die sich auf zwei Kubuswänden aneinander vorbei bewegen und dabei quasi ineinander- und dann wieder auseinander fliessen, bestechend. Zwei Seelen, die sich doch nicht wirklich treffen. Aber warum schauen sie sich auch sonst nie an, warum muß der Holländer während des Duetts zur Tür hinaus gehen? Und muß man die rauen Sitten der Seeleute wirklich mit Vergewaltigungsszenen illustrieren!?!? Ist das nicht etwas gar billig? Was sollen die Mädchen, die alle im fünfziger Jahre-Look und blonden Perücken die Männer anmachen? (Gemäß einer Bekannten könnte das eine Reminiszenz an den Film „Das Dorf der Verdammten“ sein. Nur – wenn man den Film nicht kennt, ist das ein bisschen schwierig nachzuvollziehen).

Fazit: Eine sicherlich nicht billige Produktion, die jedoch wohl schon bald in der Mottenkiste verstauben wird. Viele Premierenbesucher dachten mit Wehmut an die letzte „Holländer“-Inszenierung von Berghaus! Wer hätte das je gedacht!?! Chantal Steiner