"LA FORZA DEL DESTINO" - 10. November 2005

Leider war auch die 2. besuchte Vorstellung dieser Neuproduktion eine Enttäuschung.

Die musikalische Leistung war in vielem noch schlechter als an der Premiere, und die Inszenierung von Nicolas JOEL konnte auch beim näheren Hinsehen nicht überzeugen. Zuviel wird hier dem Zufall überlassen. Eine historisch-kitschige Darstellung des Geschehens reicht in der heutigen Zeit ganz einfach nicht aus, zumal der Text, welcher in der deutschen Übersetzung eingeblendet wird, einem zum Teil die Nackenhaare zu Berge stehen läßt.

Da findet man eine solche Verherrlichung des Krieges wie "Vergessen wird nur, wer als Feigling stirbt; dem tapferen Soldaten, dem wahrhaft Tüchtigen ist die Krone des Ruhmes, der Ehre gewiss! Schön ist der Krieg! Es lebe der Krieg!" oder "Wer das Paradies will, der entflamme seinen Mut und rüste zum Sieg über den barbarischen Eindringling". Kommt einem das in der heutigen Zeit nicht irgendwie bekannt vor? Daß man dies ganz ohne Hinterfragen oder zumindest Ironie auf die Bühne bringt, erscheint mir doch eher fragwürdig. Nichts gegen eine "konventionelle" Inszenierung, wenn sie denn stimmt.

Aber hier wurden einfach nur "schöne" Bilder produziert, die Sängerinnen und Sänger sich selbst überlassen (was zu den operntypischen Gesten führte, die bisweilen ganz einfach nur lächerlich waren, z.B. "ich ziehe meinen Degen und singe meine Arie" oder "ich falle nach meiner Arie in Ohnmacht, nach dem Applaus stehe ich ganz schnell wieder auf"…), der Chor hübsch zum Gruppenbild drapiert etc. etc. Zudem ist der Schluss absolut widersinnig. Leonora steht in einem Laufkäfig auf der Bühne, der auf der hinteren Seite offen ist. Alvaro kommt zu ihr ans Gitter, irgendjemand läutet die Glocke (!), und Don Carlo kommt sterbend zu Leonora und ersticht sie… Wenn schon konventionell, dann bitte aber durchgehend richtig!

An der Premiere hatte mich Vincenzo LA SCOLA in seinem Rollendebüt als Alvaro noch positiv überrascht, auch wenn die Höhen bisweilen schwierig waren und die Intonation zu wünschen übrig ließ. Nun, acht Vorstellungen später (Premiere war am 16. Oktober!), mußte man mit Entsetzen feststellen, daß seine Stimme erheblichen Schaden genommen hat. Die Höhen sprangen gar nicht mehr an und waren mit Hauch belegt, die Stimme klang bisweilen brüchig, und die Intonation war noch problematischer. Es ist extrem schade um diese Stimme, die eigentlich einen schönen Klang besitzen würde, aber eindeutig im falschen Fach angesiedelt ist. Einzig die - zwar künstliche abgedunkelte - Mittellage war noch schön. La Scola versteht es zwar zu phrasieren, Piano zu singen und zu gestalten - aber leider reichen die technischen Mittel nicht aus, um einen würdigen Don Alvaro darzustellen.

Leo NUCCI, der Don Carlo singt, ist in dieser Rolle ganz einfach nicht mehr glaubwürdig (vor allem nicht im 2. Akt, wo er einen Studenten verkörpern soll). Die Arie "Son Pereda, son ricco d'onore…" sang er dementsprechend blaß und ohne Biß. Immerhin versuchte er, sein "Bellen" in der ganzen Vorstellung zurückzunehmen, was jedoch dazu führte, daß er bisweilen von Nello SANTI übertönt wurde. Im Grossen und Ganzen war es für mich eine enttäuschende Leistung und eine einfallslose Gestaltung der Partie.

Die Leonora von Joanna KOZLOWSKA überzeugte mich nur in den lyrischen Passagen und im Piano, dort hat sie so etwas wie Stimmkultur. Alles andere wird monochrom vorgetragen, bisweilen habe ich immer noch den Eindruck, sie weiß nicht wirklich, was sie singt. Und für mein Empfinden attackiert sie in den dramatischen Passagen zu sehr, sie verfügt dann über zuviel Metall, und auch bei ihr hapert es mit der Intonation ganz gewaltig.

Stefania KALUZA als Preziosilla ist zu sehr "Leichtgewicht"; sie versucht, mit "neckischem" Rockheben und Arme-in-die-Taille-Stemmen eine richtige Zigeunerin zu geben. Es gelingt nur ein müder Abklatsch einer Ponnelleschen Carmen. Stimmlich fehlt mir die Sinnlichkeit, das Volumen einer d'Intino, Naef o.ä.

Paolo RUMETZ' Fra Melitone wird auf typisch italienische Buffo-Bariton-Manier gegeben; derb, chargierend und mit Holzhammer. Daß er zudem meist Fortissimo sang, und dies zu einer ausgesprochen häßlichen Stimmfarbe führte, nahm mich nicht unbedingt für ihn ein. Einziger Lichtblick war wiederum der Padre Guardiano von Matti SALMINEN: ruhig, balsamisch, minimalistisch zwar, aber durch sein Charisma zog er sofort die gesamte Aufmerksamkeit auf sich.

Nello Santis Dirigat war - wie so häufig in den letzten Jahren - zwar routiniert, aber nicht sonderlich inspiriert. Das ORCHESTER spielte (bis auf einige Patzer in den Bläsern) hervorragend. Hervorzuheben sind die Soloeinlagen von Hanna WEINMEISTER (Konzertmeisterin) und Robert PICKUP (Klarinette). Der CHOR (vor allem der Männerchor) hinterließ wiederum einen vorzüglichen Eindruck.

Schade um die schöne Musik! Allerdings muß der Gerechtigkeit halber gesagt werden, daß sehr viele Operngängerinnen und -gänger Freude an der Vorstellung hatten. Man mußte sich nichts dabei denken, und das Niveau wäre in anderen Häusern bestimmt als gut eingestuft worden. Allerdings ist es immer so eine Crux, wenn man deklariert, ein Spitzenhaus zu sein - dann sind halt auch die Anforderungen höher, die man erreichen muß. Chantal Steiner